Das Leuchten
dein Geld lieber weg.« Ich führte ihre Hand zu dem Beutel, den sie um die Taille geschnallt hatte. »Von diesen Raubeinen kannst du keinen bestechen, dass er dich mit nach unten nimmt.«
Alles an ihr schrie förmlich nach Ärger, angefangen von ihrer selbstbewussten Haltung bis hin zu den langen Haaren, die sie offen trug.
»Aber ich habe Richards Bild doch sonst schon überall herumgezeigt«, sagte sie und steckte ihr Geld zurück. »In den Geschäften, in der Bibliothek, in der Computer-Loung e …«
»Okay. Wir bleiben auf dem Zugangsdeck. Von hier aus kannst du die Schürfer sehen, wenn sie an der Station anlegen.«
»Aber was ist mit den Leuten, die bereits im Saloon sind?« Sie hatte wieder diesen Gesichtsausdruck, der mir inzwischen schon vertraut war: die Zähne zusammengebissen, die Lippen schmal vor Entschlossenheit.
»Hör zu«, sagte ich, »es gibt da etwas, was ich noch niemandem erzählt habe. Nachdem das Haus gestern zusammengestürzt war, war ich allein draußen auf dem Feld. Ich habe Shade gesehen.«
Gemma riss die Augen auf.
»Er war so weiß wie ein Toter.« Ich machte eine Pause, dann gab ich es zu: »Ich bin ihm gefolgt.«
»Hast du die Verbrecherhöhle gefunden?«
Bei dem Wort › Verbrecherhöhle‹ hätte ich am liebsten die Augen verdreht, weil das so dramatisch klang.
»Nein, er hat mich angegriffen und mir dann mein Mantaboard weggenommen.« Sie gab einen entsetzten Laut von sich, aber ich fuhr einfach fort: »Ich sage dir das nur, weil er genau zu der Art von Leuten gehört, die du im Saloon antreffen wirst.« Ich zeigte auf das Stockwerk, das unter uns lag. »Du suchst deinen Bruder, aber solche Menschen wirst du da unten nicht finden.«
»Waren seine Augen rosa?«
»Shades Augen?«
Sie nickte. Sie war so aufgeregt wie Zoe, wenn Dad sich eine Geschichte über ein Seeungeheuer ausdachte.
»Er hatte keine Augen. Nur klaffende schwarze Löcher.«
Gemma presste die Hand auf den Mund.
»So sah es jedenfalls aus. Ich bin sicher, er trug einfach nur schwarze Kontaktlinsen.«
»Wahrscheinlich, weil seine Augen so empfindlich sind. Ich habe gelesen, dass viele Albinos fast blind sind.«
»Der hat mich klar und deutlich gesehen. Er hat es ja sogar geschafft, mit seiner Harpune auf mein Mantaboard zu schießen.«
Sie ließ die Hand sinken. »Du willst mir Angst einjagen.«
Im selben Moment gingen die Türen des Aufzugs auf und ein Minenarbeiter torkelte heraus.
Gemma wich zurück. Dabei stieß sie gegen mich, stolperte wieder einen Schritt nach vorne und landete geradewegs in den Armen des Mannes.
»Entschuldigung«, murmelte sie halblaut.
»Es war mir ein Vergnügen, hübsche Lady.« Der Mann grinste anzüglich und zeigte dabei seine gelblichen Zähne.
Als er weiterging, sagte ich zu ihr: »Weißt du jetzt, was ich meine?«
Sie lächelte und hielt eine grüne Karte in die Höhe. Einen Ausweis für Erwachsene.
Ich konnte es nicht fassen. »Du hast den Mann bestohlen!«
Gemma zeigte nicht den leisesten Anflug von schlechtem Gewissen. »Mein Bruder hat mir diesen Trick beigebracht.« Sie drückte auf den Aufzugknopf.
»Toller Trick.« Ich stellte mich zwischen sie und die Fahrstuhltüren. »Hör zu: Du wirst dort unten auffallen wie ein Segelflosser unter lauter Aalen.«
»Ich fürchte mich nicht vor Aalen«, sagte sie, als die Türen aufglitten. Sie wollte doch hoffentlich nicht wirklich in den Saloon. Sie bluffte nur, ganz sicher. Aber da ging sie schon um mich herum und trat in den Aufzug. »Ich erzähl dir, wie’s war, wenn ich zurückkomme.« Gemma winkte mir zu.
Ich packte sie bei der Hand und zerrte sie aus dem Fahrstuhl, bevor sich die Türen wieder schließen konnten. »Wenn du schon unbedingt da reingehen willst, dann stell es wenigstens clever an.« Ich zog sie durch die Halle. »Du kannst dich auf keinen Fall als Mädchen dort blicken lassen.«
»Als was soll ich dann gehen? Vielleicht als Qualle?«
Ich öffnete eine Tür, die in einen Lagerraum führte. »Als Junge.« Aus einem großen Kasten zog ich ein paar Kleidungsstücke hervor. »Das hier ist das Fundbüro der Handelsstation.« Ich warf ihr ein zerknittertes rotes Sweatshirt zu.
Sie rümpfte die Nase. »Kommt nicht infrage.«
»Ach ja, stimmt. Du trägst sonst viel schickere Sachen.«
»Ich habe keine modernen Klamotten, sie sind alle schon getragen, aber sie stinken wenigstens nicht nach Zigarrenrauch und Schweiß.«
»In der Gesellschaft, in die du dich begeben willst, ist schmutzige Kleidung
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