Das Leuchten
zur Seite und bahnte uns einen Weg durch sie hindurch.
Eine Staatsqualle kam auf uns zu. Sie sah aus wie ein drei Meter langes Fischernetz, an dem silberne Glöckchen hingen. Gemma wich zurück. Ich nahm an, dass sie noch nie zuvor ein solches Tier gesehen hatte, deshalb fasste ich sie bei der Hand und führte sie näher heran. Dann tippte ich die Qualle an, damit sie sich zusammenzog und wellenartige Bewegungen machte; ich wusste ja, dass mich der Tauchhandschuh vor ihren stechenden Tentakeln schützte. Mit einer schnellen Bewegung brach ich einen Teil ab. Denn es war nicht nur ein Tier, es waren Hunderte, die zusammenklebten. Ich ließ die kleine Kreatur auf meinem Handteller tanzen und stupste sie dann in Gemmas Richtung, die mir mit weit aufgerissenen Augen zusah. Sie umfing das schimmernde Tierchen vorsichtig mit den Händen und ihr Gesicht wurde von seinem zartgelben Schein beleuchtet.
Ich nickte, um ihr zu verstehen zu geben, dass wir weiterschwimmen sollten, aber sie konnte den Blick nicht von dem Geschöpf abwenden. Wenn schon eine Staatsqualle für sie eine weltbewegende Sensation war, was würde sie erst sagen, wenn sie eine Zeit lang hier unten gelebt hatte? Plötzlich hatte ich das Verlangen, ihr all die wunderbaren Orte zu zeigen, die ich kannte. Und die Lebewesen. Ich wollte ihr Gesicht vor Begeisterung strahlen sehen.
Wir setzten unseren Weg zum Anwesen der Peaveys fort. Schon oft war ich im Boot durch diese Gegend getaucht, aber nie war ich auf dem Grund des Meeres entlanggelaufen. Immer wieder stieß ich ein Klicken aus und wartete auf das Echo. Kein großer Raubfisch weit und breit. Ich sah nur Delfine. Sie schwammen und sprangen und fraßen dicht unter dem Meeresspiegel. Ich spürte ihr Klicken und dessen lang gezogenes Echo, das uns einhüllte, aber ich wusste auch, dass ihre Töne für Gemma viel zu hoch waren.
Als ich das unverkennbare Pfeifen eines großen Männchens hörte, das tiefer als alle anderen tauchte, rief ich es zu mir herunter. Ich rief nicht den ganzen Schwarm herbei, denn ich fürchtete, Gemma würde sich erschrecken, wenn sich uns plötzlich Hunderte von Delfinen näherten. Das stellte sich als weiser Entschluss heraus, denn sie zuckte zusammen, als der etwa drei Meter lange und tausend Pfund schwere Tümmler auf uns zuschoss. Erst im allerletzten Moment schlug er einen Haken, um uns im Vorbeizischen seinen hellen Bauch zu zeigen. Als er in weitem Bogen wieder zu uns zurückgeschwommen kam, hatte Gemma begriffen, was für ein Tier es war. Diesmal blieb sie ganz still stehen, als er vorbeikam. Sie hatte die Arme an die Seiten gepresst, als wollte sie ihm Platz machen, und ihr Gesicht spiegelte eine solche Vielfalt von Gefühlen wider, wie ich es noch nie bei jemandem gesehen hatte: Angst, Freude und Ehrfurch t – alles auf einmal. Vielleicht hätte ich doch die ganze Bande rufen sollen.
Der Delfin verließ uns erst, als wir den steilen Abhang erreichten, der jäh in die Tiefsee hinabfiel. Die bescheidene Sicht, die wir hier hatten, schien Gemma nichts auszumachen, denn sie stürmte, ohne auf mich zu warten, auf eine Anhöhe. Oben angekommen, blieb sie wie angewurzelt stehen.
Ich schwamm zu ihr, und jetzt sah ich, weshalb: Das Gelände war mit riesigen Knochen übersät, achtlos liegen gelassen von Aasfressern, die einen Wal verspeist hatten. Und das, wie es aussah, schon vor Wochen. Haut und Fleischfetzen trieben geisterhaft durchs Wasser. Ich drückte Gemmas Hand und führte sie zur Klippe. Dann verstärkte ich meinen Griff und sprang.
Wir glitten den ungeheuer steilen Abhang hinab, oft konnten wir den scharfen Kanten des Sandsteins nur um Haaresbreite ausweichen. Als unsere Tauchstiefel den Meeresboden berührten, erwachte der Schlamm um uns herum zum Leben.
Schleimaale quollen aus dem Boden und überzogen unsere Stiefel wie tausend Schlangen. Der Schlick unter unseren Füßen war alles, was von dem Walfleisch übrig geblieben wa r – jetzt war er verfault, Futter für die Aale.
Gemma stieß sich vom Boden ab, um wegzukommen. Es war offensichtlich, dass sie wirklich nicht schwimmen konnte. Statt weiter mit den Füßen oder mit den Händen zu rudern, um oben zu bleiben, hörte sie immer wieder mit ihren Schwimmbewegungen auf und sank auf den Meeresgrund zurück. Ich konnte nicht anders, ich musste über ihre Anstrengungen lachen. Als sie es merkte, stapfte sie trotzig zu Fuß weiter.
Während wir an dem riesigen Skelett vorbeigingen, stieß ich ab und zu ein Klicken
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