Das Leuchten
aus. Links von uns erspürte ich etwas Eckiges, das von festen Wänden umgeben war, und beschloss, einen kleinen Umweg zu machen, ehe wir zu den Peaveys gingen.
Ich hielt Gemma an der Hand und führte sie zu dem hässlichen zweistöckigen Gebäude. Nun sah ich das Seablite-Gefängnis mit eigenen Augen. Dunkel und verlassen lag es vor uns. Als ich vor zwei Jahren zum ersten Mal mit einem Boot darüber hinweggetuckert war, hatte ich es mit all den Ecken und Winkeln für ein Überbleibsel von oben gehalten, das aus dem frühen einundzwanzigsten Jahrhundert stammt e – für ein Gebäude, das den unterirdischen Erdrutsch überlebt hatte, bei dem die meisten der überfluteten Gebäude in den Coldsleep Canyon gerissen worden waren. Jetzt aber sah ich, dass es eine Mischung aus überseeischen und unterseeischen Baustilen war. Es schwebte über dem Meeresboden, gehalten von dicken Ankerketten, was eindeutig dafür sprach, dass es hier unten erbaut worden war. Es hatte kleine, runde Fenster aus Acrylglas wie in alten U-Booten. Vom untersten Stockwerk aus reichte eine Luftschleuse bis zum Meeresgrund.
Über der Tür, die der Rost aufgesprengt hatte, prangte ein Schild. Darauf stand: Vorsicht, baufällig! Bei den Topsidern war auf fast allen Gebäuden entlang der Küste das Symbol mit dem gelben Kreis angebracht, durch dessen Mitte ein schwarzer Blitz ragte. Aber das hielt einige wild entschlossene Hausbesetzer nicht davon ab, sich in den halb verfallenen Wolkenkratzern niederzulassen.
Gemma deutete auf das gelbe Zeichen. Ich zuckte mit den Achseln und ging weiter. Die Regierung hatte uns belogen, als sie behauptet hatte, es handle sich um ein wissenschaftliches Labor. Ich war mir auch ziemlich sicher, dass das mit der Baufälligkeit nicht stimmte. Das Gebäude sah recht stabil aus. Als Gemma noch einmal auf das Schild deutete, merkte ich, dass ihr Blick hinter das neongelbe Zeichen gerichtet war, dorthin, wo mit Metallbuchstaben der Schriftzug SEABLITE angebracht war.
Meine Eltern hätten mir verboten hier herumzustöbern, aber vielleicht fand ich einen Hinweis oder sonst etwas, was den Siedlern helfen würde, die Gangster festzusetzen. Als ich mich dazu durchgerungen hatte hineinzugehen, gab ich Gemma ein Zeichen, beim Liftschacht zu bleiben. Noch bevor ich zwei Schritte getan hatte, packte sie mich am Gürtel und hielt mich zurück. Ich drehte mich um und sah, wie sie den Kopf schüttelte. Wie konnte ich nur annehmen, sie würde sich damit zufriedengeben und brav auf mich warten?
Der Aufzug im Schacht funktionierte nicht, aber im Dach der Kabine war ein Loch. Ich schwamm nach oben und schlüpfte hindurch.
Gemma versuchte mir zu folgen, doch sosehr sie auch strampelte, sie kam nicht länger als einen Augenblick vom Boden hoch. Ich überlegte kurz, sie zu ihrem eigenen Besten dort unten auf dem Liftboden zu lassen. Aber was, wenn ich nun doch nicht Recht hatte und das Gebäude wirklich baufällig war? Und mal davon abgesehen würde Gemma sowieso nicht ohne Weiteres aufgeben. Bei ihrem nächsten Sprung bekam ich ihre Hände zu fassen und zog sie hoch.
Zum Glück musste sie im Schacht nicht weiter nach oben schwimmen, an der Innenwand war eine Leiter. Wir stiegen in das erste Geschoss, wo die Schiebetüren des Aufzugs geöffnet waren. Das ganze Stockwerk stand unter Wasser. Ich schickte ein paar Klickgeräusche aus und fand so heraus, dass das Wasser nur bis zur nächsten Aufzugsöffnung stand. Ich winkte Gemma herbei und wir kletterten die nächste Leiter hinauf. Als ich die letzte Sprosse erreichte, durchbrach ich die Wasseroberfläche. Ich trat aus dem Aufzugschacht hinaus. Das Meer hatte zwar das Stockwerk geflutet, doch das Wasser reichte mir nur bis zur Taille.
Gemma folgte dicht hinter mir. Mein Helmlicht war das Einzige, was die Dunkelheit um uns erhellte. Ich trat an die nächstgelegene Wand und schlug mit den Knöcheln dagegen. Man hörte keinen Ton, das alte Metall vibrierte nicht im Geringsten, es schien also stabil genug zu sein.
Die Anzeige an meinem Tauchcomputer am Handgelenk meldete, dass der Sauerstoffgehalt normal war, darum nahm ich den Helm ab. Gemma tat es mir gleich. Ich band meine Taschenlampe vom Gürtel los und ließ den Lichtstrahl über die Nieten und eisernen Tragebalken schweifen.
»Darf ich die Taschenlampe nehmen?«, fragte Gemma zähneklappernd.
Ich gab sie ihr, und wir betrachteten beide die befremdliche Umgebung, in der wir uns befanden. Die Wände waren dunkel und nass. Das Meer
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