Das Leuchten
auszumachen. Sie zitterte nicht und sie krümmte sich auch nicht zusammen.
Dad zog eines ihrer Augenlider hoch und warf Mum einen bedeutungsvollen Blick zu.
»Dreh sie auf die Seite«, drängte Mum.
»Die Ranger sind schon unterwegs.« Jibby kam durch die offene Tür der Lounge. Dann sah er Gemma. »Oh nein!«
Ich setzte mich mühsam auf, Jibbys Tonfall hatte mich alarmiert. Unter Dads Händen ließ Gemma sich schlaff hin und her rollen wie ein Tintenfisch, den man aus einem Eimer auf den Boden gekippt hatte. Aus Mund und Nase rann Wasser. Mum versuchte sie wiederzubeleben, sie presste beide Hände auf ihren Rücken. Meerwasser lief zwischen ihren halb geöffneten Lippen heraus. Mum presste wieder und immer wieder, bis kein Wasser mehr aus ihrer Lunge kam, dann drehte Dad Gemma wieder um. Ihre Haut war wie Wachs, ihre Brust hob und senkte sich nicht. Dad drückte auf ihre Brust, Mum beatmete sie von Mund zu Mund. Schluchzend entfernte sich Sharon von uns und nahm Hewitt mit.
Wie lange war Gemma im Wasser gewesen? Fünf Minuten? Noch länger? Ich wusste es nicht. Plötzlich hielten meine Eltern inne. Sie gaben auf!
Ich kniete mich neben Gemma und drückte meinen Mund auf ihren. Ihre Lippen fühlten sich kalt und schlaff an. Ich blies, so fest ich konnte, Luft in ihre Lunge. Ich beugte mich über sie und drückte ihr die Handflächen auf die Brust und zählte, so wie ich es gelernt hatte.
Mum flüsterte: »Ty.«
Ich achtete nicht auf sie und blies neuen Atem in Gemmas Mund, drückte ihr wieder auf die Brust. »Komm schon!«, schrie ich. Aber sie bewegte sich nicht.
Ich füllte ihre Lunge immer wieder mit Luft, bis mir schwindelte. Als ich meine Hände erneut auf ihre Brust presste, legte Dad seine Hände auf meine. Sie war tot. Es hatte zu lange gedauert, bis ich sie gefunden hatte. Ich zog meine Hände unter seinen hervor und kauerte mich auf die Fersen. Mum schloss Gemmas Mund und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
Gemma war doch toug h – hatte sie das nicht immer gesagt?
Ich riss ihr T-Shirt auf, sodass ihr BH zu sehen war. Ihre Brust war kalt und hob sich nicht.
»Zoe.« Ich winkte meine Schwester zu mir. »Leg deine Hände auf sie.«
»Ty, nicht!«, schrie Mum.
Weil Zoe sich nicht rührte, nahm ich ihre Hände und platzierte sie auf Gemmas Brust, genau über dem Herzen.
»Tu es«, sagte ich leise.
Tränen rannen über Zoes Wangen, als sie den Kopf schüttelte.
»Ty, zwing sie nicht dazu!«
Ich hörte nicht auf Mum und legte einen Arm um Zoe. »Ich hätte dir nicht sagen sollen, dass du sie verstecken musst. Du hast eine ganz besondere Gabe.«
»Ich tue den Menschen weh«, flüsterte sie. »Du wärst fast gestorben.«
»Du kannst ihr nicht wehtun, Zoe. Aber vielleicht kannst du ihr helfen.« Ich trat ein paar Schritte zurück, während ich mich davon überzeugte, dass niemand in der Pfütze stand, die sich rings um Gemma gebildet hatte.
Widerstrebend drückte Zoe Gemma die Hände auf die Brust. Unvermittelt bäumte sich Gemmas Oberkörper auf. Während meine Eltern und die anderen Siedler atemlos zusahen, wurde er wieder schlaff. Leblos.
»Versuch es noch mal«, drängte ich Zoe.
Wieder zuckte Gemma. Und wieder sank ihre Brust in sich zusammen. Eine angespannte Stille legte sich über die Anwesenden. Bekümmert sah mich Zoe an.
»Das reicht«, sagte Dad energisch.
»Es ist vorbei, Ty.« Sharon legte mir mitfühlend die Hand auf die Schulter.
Ich schüttelte sie ab, kauerte mich neben Zoe und zog ihre Hände erneut auf Gemmas Brust. Ich drehte mich zu den anderen um. »Ist es so richtig?«
Mum stammelte: »Ja, das sieht richtig aus. Aber Ty, das ist nich t …«
»Noch einmal, Zoe.«
Mit einem leisen Schluchzen versetzte Zoe ihr einen weiteren elektrischen Schlag. Aber es war zwecklos.
»Hört auf«, sagte Dad und trat zwischen uns. »Sie ist tot.«
Ich drehte mich zu ihm, wollte ihm widersprechen, wollte ihm erklären, dass sich Gemma nicht unterkriegen ließ, aber ich brachte kein Wort heraus. Erschöpft stand ich auf. Da bemerkte ich, dass Hewitt gebannt hinter mich starrte.
Ich wirbelte herum. Gemma lag auf dem Deck, reglos wie zuvor. Aber dann sah ich es: Ihre Hand zuckte.
»Wärmt sie auf!«, schrie Mum und ließ sich neben Zoe auf die Knie fallen.
Sharon stieß Dad beiseite und hockte sich auf die andere Seite. Sie rieb Gemmas Glieder, damit das Blut wieder zirkulierte.
»Decken!«, rief sie. Sofort rissen sich alle die Decken von den Schultern und wickelten Gemma damit
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