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Das Licht der Flüsse

Das Licht der Flüsse

Titel: Das Licht der Flüsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Paris. Und hier spielten weibliche Exemplare unserer eigenen Spezies
     Krocket, als wäre Précy ein Ort im wirklichen Leben und nicht eine Station im Märchenland des Reisens. Denn, um ehrlich zu
     sein, kann man die Bauersfrau wohl kaum als Frau zählen, und nachdem wir an dieser Parade von Leuten in Röcken vorbeigezogen
     waren, die gruben, hackten und das Essen kochten, bot diese Kompanie bewaffneter Koketten einen recht überraschenden Anblick
     in der Landschaft und überzeugte uns sogleich, verführbare Männer zu sein.
    Der Gasthof in Précy ist der übelste Gasthof in Frankreich. Nicht einmal in Schottland habe ich schlechteres Essen bekommen.
     Er wurde von Bruder und Schwester geführt, die beide nicht älter als zwanzig waren. Die Schwester bereitete uns, wenn man
     es denn so nennen möchte, eine Mahlzeit zu, der Bruder, der einen gebechert hatte, kam herein und brachte einen beschwipsten
     Metzger mit, um uns beim Essen Gesellschaft zu leisten. Wir fanden lauwarme Schweinefleischstücke im Salat und Stücke einer
     unbekannten gummiartigen Substanz im
ragoût
. Der Metzger gab Szenen aus dem Pariser Leben zum Besten, das er, wie er behauptete, ausgezeichnet kannte. Der Bruder saß
     derweil auf der Kante des Billardtischs, schwankte gefährlich und nuckelte an einem Zigarrenstumpen. Während dieses Zeitvertreibs
     marschierte plötzlich ein Trommler am Haus vorbei, und eine raue Stimme begann etwas auszurufen. Es war ein Marionettenspieler,
     der eine Abendvorstellung ankündigte.
    Er hatte seinen Wagen auf dem Krocketrasen der Mädchen abgestellt und in einer dieser offenen Buden, die sotypisch für französische Märkte sind, seine Kerzen angezündet; als wir dort ankamen, versuchten er und seine Frau mit dem
     Publikum einig zu werden.
    Es war ein reichlich absurder Streit. Die Schausteller hatten einige Bänke aufgestellt, und jeder, der sich darauf niederließ,
     sollte ein paar
sous
für die Bequemlichkeit zahlen. Sie waren immer ziemlich gut besetzt – ein volles Haus –, solange nichts weiter geschah; aber
     kaum ließ sich die Schaustellerin blicken, um den Hut herumgehen zu lassen, rutschte das Publikum beim ersten Rasseln ihres
     Tamburins von den Sitzen und stellte sich mit den Händen in den Hosentaschen am Rand auf. Sicher hätte das selbst die Geduld
     eines Engels auf die Probe gestellt. Der Schausteller brüllte vom Proszenium herab, er sei überall in Frankreich gewesen und
     nirgendwo, nirgendwo, »nicht einmal an der Grenze zu Deutschland«, habe er ein so schäbiges Verhalten erlebt. Alles Diebe
     und Schufte und Halunken, wie er sie nannte! Und die Frau, die immer mal wieder eine Runde drehte, gab ihre schrille Zugabe
     zu der Schimpftirade. Ich habe hier und auch früher schon bemerkt, dass der weibliche Verstand sehr viel produktiver ist,
     wenn es um Beleidigungen geht. Das Publikum lachte überaus gutgelaunt über die Ausrufe des Mannes, doch unter den scharfzüngigen
     Paraden der Frau zuckte es zusammen und schrie auf. Sie zielte auf die wunden Punkte. Die Ehre des Dorfes war ihrer Gnade
     ausgeliefert. Aus der Menge antworteten ihr wütende Stimmen und erhielten für ihre Mühe eine schmerzhafte Erwiderung. Ein
     paar alte Damen neben mir, die für ihre Sitze gebührend bezahlt hatten, wurden puterrot und disputierten empört und lautstark
     über die Unverschämtheit dieser Scharlatane; sobalddie Schaustellerin davon etwas mitbekommen hatte, fiel sie mit einem Schlag über sie her: Wenn Mesdames ihre Nachbarn überreden
     könnten, mit der üblichen Ehrlichkeit zu handeln, dann wären die Scharlatane, so versicherte sie ihnen, mehr als höflich.
     Mesdames hatten wohl ihren Teller Suppe und vielleicht auch ein Glas Wein zum Abendessen bekommen – auch die Scharlatane hätten
     Appetit auf Suppe und wollten nicht zusehen, wie man ihnen ihren geringen Verdienst vor den Augen wegschnappte. Einmal kam
     es sogar zu einer kurzen persönlichen Auseinandersetzung zwischen dem Schausteller und einigen Burschen, bei dem der Erstgenannte
     so bereitwillig wie eine seiner Marionetten in schallendes Gelächter ausbrach.
    Über diese Szene war ich ziemlich erstaunt, da ich mit dem Wesen der mehr oder weniger künstlerischen französischen Vagabunden
     recht gut vertraut bin und sie mir stets überaus freundlich erschienen. Jeder, der sein Herz am rechten Fleck hat, muss Vagabunden
     lieben, sei es nur als lebenden Protest gegen Ämter und Kommerz und als etwas, das uns daran

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