Das Licht der Hajeps (German Edition)
sollten, was sehr lieb gewesen war. Dennoch fehlte Paul einfach an allen Ecken und Enden! Auch die Reifen aufzupumpen, geschweige denn nach deren Löchern zu forschen und diese zu flicken, ging ihnen viel langsamer von der Hand als dem starken und geschickten Mann.
Margrit biss die Zähne fest zusammen und ihr dürrer, ausgemergelter Körper zitterte und schwankte, gebeutelt von all den zusätzlichen ungewohnten Belastungen und unwillkürlich dachte sie dabei an Ilona, die jetzt gewiss von Paul verwöhnt wurde, die vor allen Dingen seine Zärtlichkeiten genoss. Zunehmender Neid stieg bei diesen Gedanken in ihr auf, leider auch wieder Tränen, doch sie hielt sich diesmal an ihr Versprechen, wollte wieder so fröhlich sein wie vordem.
„Indianer brechen nicht ihr Wort!“ murmelte sie in solchen Fällen leise vor sich hin. „Nein, das tun sie nicht!“
Als es Abend wurde, standen sie endlich am Rande des großen Waldes. Vor sich hatten sie eine der Autobahnen, die einst von Menschenhand erbaut und nun Gott weiß wie lange nicht mehr befahren worden war. Die Straße sah schrecklich aus. Nichts war hier seit über zwanzig Jahren mehr repariert worden. Kein Wunder! Die außerirdischen Eroberer brauchten keine Straßen, denn sie fuhren nicht, sie flogen, manchmal nur wenige Zentimeter über dem Boden!
Die Stadt war jetzt etwa dreieinhalb Kilometer von der kleinen Familie entfernt. Das meiste Ackerland, das sie bisher gesehen hatten, war verwildert. Es gab wohl nur noch Höfe in der Nähe der Stadt. Elfriede wollte, obschon sie sehr erschöpft war, diesmal ohne Pause weiterlaufen, doch Margrit hinderte sie plötzlich daran, indem sie die alte Dame beim Zipfel ihres Mantels packte.
„Was ist los mit dir?“ quiekte Elfriede entrüstet und wendete sich nach ihrer Tochter um. „Wir können nicht mehr trödeln. Es wird bereits dunkel und du weißt, wie es mit dem Licht aussieht. Wie wollen wir ein Gehöft in völliger Finsternis finden? Wir brauchen ein Dach über dem Kopf, endlich feste Wände um uns, oder willst du etwa in diesem feuchten und kalten Wald übernachten? Da ist dir aber eine Lungenentzündung sicher, meine Liebe!“
„Die will ich auch nicht bekommen!“ Margrit hatte noch immer ihre Finger fest in Muttchens Mantel gekrallt. Sie sah verzweifelt und angstvoll zur Straße. „Aber … siehst die Vögel, die dort leblos auf dem Boden liegen? Überall sind sie verteilt.“
„Vielleicht hat die jemand überfahren!“ knurrte Muttchen.
Margrit fuhr sich mit der Zunge über die vor Aufregung trocken gewordenen Lippen. „Dann müsste der Slalom gefahren sein, Muttsch. Außerdem ist es verdammt still, findest du nicht?“
Elfriede brach in verdutztes Lachen aus. „Ja, es ist still. Warum sollte es das nicht sein?“
„Na, weit und breit keine Vögel mehr zu hören – nichts!”
„Mein Kind“, fauchte Muttchen und versuchte sich dabei von Margrits festem Griff zu befreien. „Du hast zwar ein hervorragendes Gehör, aber du spinnst dann und wann. Naja, bist ja auch Psychologin! Das entschuldigt Einiges! Es ist Herbst. Die meisten Vögel werden bereits fortgeflogen sein!“
„Aber, es ist noch nicht dunkel, Muttsch. Einige müssten jetzt zwitschern. Außerdem ist die Stadt total ruhig. Kein Laut dringt einem ans Ohr, als ob …“
„Du meinst … Coburg ist auch … ist bereits tot?“
„Ja, na ja, hm … das befürchte ich! Es müssten aber Flüchtlinge an der Stadt vorbeikommen, oder sogar durch Coburg hindurchziehen. Vielleicht laufen alle in eine Falle!“
„Oh, Sch … Schade!“ platzte es aus Tobias heraus. „Ich hasse Fallen! Magst du Fallen, Jule? ”
„Puh, ich auch nich’!“ bestätigte Julchen.
Margrit reckte sich und hielt ihre Brille schief, damit sie besser sehen konnte. „Nein, schrecklich, nun sehe ich auch die Leichen zweier Menschen. Liegen mitten auf der Straße zwischen den toten Vögeln.“
„Und wenn nun Dieterchen schon in Coburg ist?“ fiel es Tobias plötzlich ein.
„Bestümmt, die … die wollten doch einen Abkürzzug nehmen?“ keuchte Julchen entsetzt.
„Herr du meine Güte, die Kinder haben ja Recht!“ ächzte jetzt auch Elfriede. „Oh Gott, der Paul! Annegret, Herbert, Ilona! Hoffentlich sind die nicht da hinein und …“
„Der … der hat meinen Blaui”, war Tobias nächster Gedanke, „den krieg’ ich nun nich mehr, stümms?”
Margrit nickte, er faltete düster die Stirn und schob schließlich die kleine, dicke Unterlippe vor. „Ich
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