Das Licht der Hajeps (German Edition)
meine, ich will aber meinen Blaui wiederhaben!“
„Tja, Tobias!“ Margrit hob hilflos die Schultern an.
„Ich will nich, dass die Hajeps unsere Erde kriegen!“ schluchzte Tobias plötzlich los. Sein dürrer Körper bebte schrecklich dabei. „Der Blaui ist meiner, der gehört doch uns, den Menschen, verstehste!“
Julchen blickte zu ihrem Bruder hoch, zu ihm, der auf Mamas Rad saß, und zupfte Tobias am Hosenbein. „Nich … nich weinen, Tobi, ja-ah?“ krähte sie halb erstickt zu ihm hinauf. „Ich … ich werd’ nämlich später Indianer und dann Medizinmännin!”
„Bestümmt?“ fragte Tobias, etwas getröstet, zu ihr herunter.
„Indianerehrenwort! Da ... da schleiche ich mich dann an und klaue deinen Blaui den blöden Hajeps, so!“
„Machst du es bestümmt?“
„Ja, Bestümmt!“
„Klauste auch“, er schluckte, „Dieterchen?” Dabei tropfte ihm nun doch eine Träne zu Boden und dann folgte etwas schneller die nächste. Große Augen starrten dabei Julchen an.
Julchen erwiderte nichts, sah nur in Tobias Gesicht und plötzlich brach auch sie in hilfloses Schluchzen aus.
Margrit blickte besorgt auf ihre verstörten Kinder. Sie hatte diese Verwirrtheit und Verzweiflung schon oft erlebt, aber diesmal ging ihr das besonders unter die Haut, zumal sie selber Sorge um Paul und im Grunde auch um all die Anderen hatte. Es waren Menschen, die sie ins Herz geschlossen hatte, die irgendwie ihre Brüder und Schwestern waren. Niemandem, auch wenn sie ihn noch so hassen würde, konnte sie ein derart furchtbares Ende wünschen.
„Ich glaube nicht, dass Paul diese Stadt betreten hat. Er ist so vorsichtig wie ich”, sagte sie möglichst bedächtig.
„Die Hegenscheidts“, fuhr sie fort, „werden sich nach Paul gerichtet haben.“
„Du meinst Dieterchen is´ nix passiert, ganz ohne Schei … äh … in echt?“ Tobias schnäuzte sich trompetend in den Ärmel, da er schon wieder kein Taschentuch hatte und krempelte den anschließend ein kleines Stückchen höher.
„Ich bin mir dessen sicher!“ Margrit versuchte, ohne mit den Wimpern zu zucken, auf die Lenkstange ihres Fahrrades zu starren.
„Du lügst nich – nee?“ meldete sich jetzt auch Julchen und wischte sich mit dem schmutzigen Handrücken quer über die Augen, so dass ein grauer Streifen nicht nur über den Lidern sondern auch über der Nase erschien.
Oh Gott, es war wirklich nötig, dass sie endlich wieder eine Möglichkeit fanden, sich zu waschen. „Nein!“ sagte sie laut. „Äh – ich meine Hough!“
Julchen strahlte. „Hough, Mams! Wenn ich Medizinmännin bin, werdere ich an dich denken.“
„Ich weiß, du holst mir dann den Paul!“ Sie versuchte verschmitzt ein kleines Lächeln, obwohl sich ihr dabei das Herz zusammenkrampfte, denn im Geiste sah sie mit einem Male wieder die Kirchenbänke vor sich, erblickte das Blut an den Wänden, doch diesmal war es nicht Armin der mit weit aufgerissenen Augen zwischen den Bänken lag, sondern …! Margrits Hände zitterten, während sie das Rad weiter schob.
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Die kleine Familie beschloss, an diesem Abend nur bis zu dem Gehöft zu laufen, das sie in ein paar hundert Meter Entfernung sahen. Vielleicht waren die Leute dort barmherzig, würden sie in ihrem Haus oder in einem der Ställe schlafen lassen und ihnen womöglich sogar etwas von ihren Nahrungsmitteln abgeben, sofern sie lebten … aber sie lebten nicht mehr!
Der Leichnam des Bauern saß vornüber gebeugt am Tisch. Er hatte wohl gerade eine Suppe gegessen und Margrit sah in mit seinem Gesicht darin liegen, als sie die Türe öffnete, die nur leicht angelehnt gewesen war. Wenig später entdeckte sie den leblosen Körper seiner Frau vor dem Stall, ebenfalls das Gesicht von Margrit abgewendet, und der Zipfel ihres Kopftuchs flatterte noch immer im Wind. Zuletzt fand Margrit auch den Knecht, blau und aufgedunsen auf dem Wasser des in der Nähe gelegenen Forellenteichs treibend, gerade als Margrit dort ihre Feldflasche auffüllen und ein wenig trinken wollte.
Der Durst war ihr mit einem Male vergangen. Was war denn so plötzlich mit diesen Menschen passiert? Nach kurzem Grübeln glaubte Margrit, den Grund hierfür herausgefunden zu haben. Irgendwelche Gifte mussten von Coburg aus bis zu ihnen herübergeweht sein. Als Margrit dann die Kinder entdeckte, die wohl beim Mittagschlaf erstickt waren und seltsamerweise die Hände an den Ohren hielten, begrüßte sie es sehr, dass sie Muttchen und die Kinder in weiser
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