Das Licht der Phantasie
eine seltsame Reise beginnen. Salatgurken magst du besonders gern. Leute, die Messer auf dich richten, führen wahrscheinlich nichts Gutes im Schilde. Postskriptum: Das mit den Druiden ist ernst gemeint.‹«
»Druiden?« wiederholte Trymon nachdenklich. »Interessant…«
»Ist alles in Ordnung mit dir?« fragte Zweiblum.
Rincewind schlug die Augen auf.
Rasch stemmte er sich in die Höhe und packte den Touristen am Kragen.
»Ich will weg von hier!« sagte er drängend. »Am besten, wir brechen sofort auf!«
»Aber bald beginnt eine uralte, traditionelle Zeremonie!«
»Ist mir völlig egal, wie alt traditionelle Zeremonien sind! Ich möchte endlich wieder ein anständiges Kopfsteinpflaster unter den Füßen haben und den vertrauten Geruch von Jauchegruben genießen! Ich möchte dorthin zurück, wo es viele Leute, Feuer, Dächer, Wände und ähnlich erfreuliche Dinge gibt! Mit anderen Worten: Ich will nach Hause!«
Plötzlich sehnte er sich nach den verrauchten, dreckigen Straßen von Ankh-Morpork zurück. Er erinnerte sich an die prächtige Stadt im Frühling, wenn der schleimige Glanz des völlig verschmutzten Ankh-Flusses herrlicher schimmerte als sonst und man des Abends das Zwitschern der Vögel hören konnte – beziehungsweise ihr krächzendes Keuchen.
Tränen stiegen ihm in die Augen, als er sich an das Glitzern auf dem Dach des Tempels Kleiner Götter entsann, einem berühmten Wahrzeichen der Stadt, und in seinem Hals bildete sich ein Kloß, als ihm die Bratstände an der Ecke Kehrichtgasse und Der Straße Schlauer Kunsthandwerker einfielen. Er dachte an die Essiggurken, die dort angeboten wurden, an dicke grüne Dinger, die wie ertrunkene Wale in großen Einmachgläsern schwammen. Sie flüsterten Rincewind über eine Entfernung von vielen Meilen zu, versprachen, ihn leckeren eingelegten Eiern vorzustellen.
Er dachte an die gemütlichen Dachböden der Mietställe und warmen Heuschuppen, in denen er übernachtete. Es erschien ihm unglaublich und geradezu absurd, daß ihn dieses Leben früher einmal betrübt, ihn sogar gelangweilt hatte…
Ich bin nicht für Abenteuer geschaffen, überlegte er kummervoll. Mir reicht’s. Sollen andere Leute vom Rand der Welt fallen und auf Wolken spazierengehen. Ich kehre nach Hause zurück. He, Essiggurken, wartet auf mich…
Er schob Zweiblum beiseite, zog sich seine zerknitterte Robe würdevoll enger um die Schultern, sah in die Richtung, in der er Ankh-Morpork vermutete – und trat mit einer erstaunlichen Mischung aus unerschütterlicher Entschlossenheit und bemerkenswerter Gedankenlosigkeit über die Kante eines neun Meter langen Triliths.
Während der zehn Minuten, die der besorgte und zerknirschte Zweiblum brauchte, um ihn aus einer hohen Schneewehe vor den Steinen zu graben, veränderte sich Rincewinds Gesichtsausdruck nicht. Der Tourist musterte ihn.
»Wie fühlst du dich?« fragte er und hob die Hand. »Wie viele Finger siehst du?«
»Ich will nach Hause!«
»Meinetwegen.«
»Nein, versuch bloß nicht, mir das auszureden. Ich hab die Nase voll.
Ich würde gern sagen, daß mir unsere Reisen viel Spaß machten, aber das entspräche nicht ganz der Wahrheit. Und außerdem…« Rincewind unterbrach sich. »Was hast du gesagt?«
»Meinetwegen«, wiederholte Zweiblum. »Ich würde Ankh-Morpork gern wiedersehen. Ich schätze, inzwischen ist der größte Teil der Stadt wiederaufgebaut.«
Es sollte hier erwähnt werden, daß Rincewind und Zweiblum die Stadt zum letztenmal gesehen hatten, als sie lichterloh brannte – das Feuer stand in einem gewissen Zusammenhang mit Zweiblums Erklärungen in Hinsicht auf die Vorzüge von Brandversicherungen, die bei der Bevölkerung zwar auf Interesse, aber nicht das notwendige Verständnis stießen. Doch die Morporkianer waren seit langem an Feuersbrünste gewöhnt, und wenn sie nach einer der vielen Katastrophen die Stadt fröhlich wiederaufbauten, verwendeten sie die traditionellen Materialien: zunderartiges Holz und Stroh, das mit Teer vor der Regennässe geschützt wurde.
»Oh«, erwiderte Rincewind verwirrt. »Oh, ich verstehe. Nun gut. Ausgezeichnet. Auf was warten wir dann noch?«
Er stand auf und klopfte den Schnee von der Hose.
»Ich schlage vor, wir gedulden uns bis morgen früh«, sagte Zweiblum. »Warum?«
»Weil es ziemlich kalt ist, wir überhaupt nicht wissen, wo wir sind, der Koffer nach wie vor irgendwo herumirrt und es dunkel wird…«
Rincewind zögerte. In den tiefen Schluchten seines Bewußtseins
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