Das Licht der Toten: Roman (German Edition)
sein Blick über die geschlossenen Reihen der düsteren Männer, die ihn stumm betrachteten und die ihmso unwirklich schienen wie in dem Traum, den er zwei Tage vor seinem Ende geträumt hatte; einen Todestraum, wie er jetzt begriff.
Ein heimtückisch schmaler Faden Blut schlängelte sich aus seinem Ohr und folgte seiner Halsschlagader. Dann stürzte sein Körper, brach regelrecht in sich zusammen wie die Türme des World Trade Centers: eben noch im Glauben, unvergänglich zu sein, hatte er sich genau wie diese böse getäuscht. Derjenige, der ihn erschlagen hatte, beugte sich langsam über ihn und betrachtete ihn wie einen Köter, den man mehr oder weniger absichtlich überfahren hat. Er hob den schlaffen Arm des Verlierers, schüttelte ihn und ließ ihn wieder fallen, als keine Reaktion erfolgte. Totes Fleisch, bedeutungslos. Der Sieger, der selbst im Gesicht blutete, zuckte mit den Schultern und trat aus der Arena zu einem Stuhl, über dessen Lehne seine Klamotten lagen. Er war bis auf Shorts nackt, so wie der Tote, und sein sehniger Oberkörper war von Blutergüssen gezeichnet; immerhin war es bis zum Ende ein ausgeglichener Kampf gewesen. Jemand reichte ihm eine Wasserflasche, und er trank die eine Hälfte und schüttete sich die andere über den Kopf.
Ein Arzt, der während des Kampfes in der »Sun« geblättert hatte, untersuchte flüchtig seine Wunden. Nichts, was nicht von selbst heilte. War mehr zu tun, nahm er denjenigen mit in seine schäbige Praxis, für deren Betrieb er schon lange keine Zulassung mehr besaß; so wie sein Leben war sie ramponiert und desaströs geführt worden. Er trank zu viel und er dachte zu wenig nach, und das hatte ihn genauso wie die Männer in der Arena hierher geführt. Ebenso wie diese gehörte er sich schon lange nicht mehr selbst.
Nachdem er mit dem Sieger fertig war, stieg er zu dem Toten in den Ring und bestätigte nur, was alle ohnehin schon wussten.
Niemand klatschte Beifall oder gab einen Kommentar von sich. Die plötzlich einsetzende Stille nach dem Tod war nurschwer erträglich, fand Robert, er beobachtete, wie Geldscheine eingesammelt wurden; fürwahr ein Lohn der Angst.
Zwei Handlanger wischten die Arena feucht durch, beseitigten das Blut, streuten Sägespäne auf den blanken Beton.
»Das war noch gar nichts«, sagte Bela Nagy neben Robert. »Es wird noch besser.« Dabei ließ er Robert keine Sekunde lang aus den Augen. Und Robert spürte Nagys Blick, der sich wie Säure durch seinen schicken teuren Anzug, der wie eine zweite Haut an ihm saß, durchfraß, bis er tief in sein Innerstes einsickerte, um ihn dort zu zersetzen.
Zwei weitere Männer betraten die Arena. Diesmal waren sie bewaffnet.
»Das sind Kukris«, erklärte Nagy Robert und deutete auf die dreißig Zentimeter langen, gebogenen Messer. »Sie stammen aus Nepal und werden dort von den einheimischen Gurkhas benutzt. Furchterregend, nicht wahr? Kein Vergleich mit üblichen Klingen. Eigentlich sind sie in den Händen von Amateuren verschwendet, aber das macht es nur noch interessanter. Diese Typen haben kein Gefühl für das Gewicht einer solchen Waffe, für die Art und Weise, wie man sich mit ihr bewegt. Ein Gurkha würde diese Sache hier in wenigen Sekunden beenden.«
Aber das ist nicht das, was du willst, dachte Robert. Was sie alle hier wollen.
Und was zum Teufel machst du hier?, fragte er sich.
Er war erst gestern aus Hongkong angekommen.
Hinter ihm lagen Transaktionen und deren korrekte Einhaltung, das Pochen auf die Erfüllung von Verträgen in verrauchten, engen Hinterzimmern, in der Luft hing der Geruch fremdartiger Gewürze, das Salz des Meeres.
Vier-Augen-Gespräche, und darin enthalten deutliche Worte, während sich auf dem Bildschirm von Laptops virtuelles Geld wie ein zerstörerischer Virus ausbreitete, infizierte, infiltrierte,der Geist in der Maschine. Robert verstand nichts davon. Da waren Barrieren, die er nicht würde überwinden können. Er war nicht frustriert oder verärgert deswegen. Nur sehr müde.
Männer mit verschlossenen, undurchdringlichen Mienen prüften Verträge, tippten Zahlenkolonnen ein, entschlüsselten Codes, agierten, reagierten, handelten; er sah ihnen zu, eine Randfigur, ein Kurier, der Überbringer von Wünschen, Forderungen, Drohungen. Nicht sein eigener Herr, aber das hatten sie alle hier gemeinsam: Sie zappelten an den Fäden, die andere zogen.
Danach an die Hotelbar. Einsamkeit und das Gefühl, in dieser Welt verloren zu sein, manifestierten sich in
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