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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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der Infanterie. Vorübergehende Stille. Der Gefechtslärm versank wie ein Geist in der Erde.
    Belenski stöhnte.
    Etwas hatte ihn getroffen, als er einen Spähtrupp auf die andere Seite hatte führen wollen. Die drei anderen Männer waren tot und lagen verstreut wie Puppen auf dem zersprengten Asphalt. Grischa dachte, dass nur die Toten das Ende eines Krieges erleben. Für sie war er jetzt tatsächlich beendet. Gute Reise, Jungs.
    »Wir müssen sie holen«, jammerte Tretjak neben ihm. Tretjak war ranghöher als Grischa, er führte jetzt offiziell die Einheit an, aber Tretjak war in diesen Tagen in Grosny sowohl innerlich als auch äußerlich geschrumpft, er hatte nicht das Zeug, die Männer zu führen, seine vollgeschissene Hosen verliehen ihm dazu nicht die nötige Autorität. Also war Grischa jetzt der Anführer.
    »Die sind tot«, sagte Grischa, eine Tatsache, die Tretjak anscheinend verdrängt hatte.
    »Belenski aber nicht.«
    Nein. Belenski nicht. Das war ja das Elend.
    Stille, und plötzlich wurde die Stille durchbrochen von den Worten des Propheten, die man ihnen über das Schlachtfeld hinweg entgegenschleuderte. Gesänge, Anrufungen. Die Männer um Grischa bekreuzigten sich. Murmelten Flüche, Beleidigungen, wurden zusehends unruhiger. Die Verluste wogen zu schwer, jeden Tag verloren sie mehr Männer. Man hatte sie hierher geschickt, um zu töten, aber jetzt waren sie es, die getötet wurden. Mit jedem weiteren Verlust brach die Klammer aus Loyalität und Kampfeslust ein Stück mehr entzwei. Grischa wusste, was die Männer brauchten: ein Blutbad. Unter ihren Feinden. Eine weitere flammende Schneise, die sie durch die Stadt zogen. Grosny, ihre rohe, zerstörte Struktur, war selbst längst schon zum Feind geworden. Die geschändeten Häuser waren Rattennester, in denen der Tod wohnte. Grischa hatte jetzt eine Ahnung davon, wie es in Stalingrad gewesen sein musste.
    Belenski wimmerte lauter.
    Tretjak lugte durch das Fernglas.
    »O Gott …«
    Grischa nahm ihm das Fernglas ab. Belenskis Bauch war aufgerissen,wahrscheinlich von den Splittern einer RPG -7-Granate, mit denen die Bärtigen sie beschossen hatten. Neben Belenski lagen dampfend dessen Eingeweide. Das war’s dann, dachte Grischa.
    »Wir gehen ihn holen«, murmelte Tretjak. Er drehte sich zu den Männern um, die sich hinter ihnen zusammendrängten. Sie hatten keine schweren Waffen dabei, wie auch, die waren an die Bärtigen verkauft worden, also konnten sie nur versuchen, über ihre AK -47 ein Sperrfeuer aufzubauen, um die Männer zu schützen, die Belenski bergen sollten. Der Feind hingegen steckte in der gähnenden Schwärze der toten Häuser, geschützt durch Stein, bewaffnet mit Scharfschützengewehren. Sie würden die Retter einfach abknallen. Belenski entpuppte sich damit als tödliche Falle für die ganze Einheit. Aber Grischa würde dies nicht zulassen. Die Männer diskutierten über Tretjaks Vorschlag. Grischa spürte, wie die Situation zu kippen drohte.
    Und dann, als wäre das alles noch nicht genug, kamen die Hunde.
    Sie kamen beinahe lautlos, kamen, nachdem die Bärtigen mit den Lobpreisungen ihres schurkischen Propheten fertig waren, die Hunde schienen aus dem Boden zu kriechen, aus den Löchern, die die Armee in das Gefüge der Stadt geschossen hatte, es waren zwei Dutzend Hunde, frühere Haustiere, deren Besitzer entweder tot oder ohne sie geflüchtet waren. Wie hatten sie überleben können, ohne dass man ihnen Futter gab? Wasser gab es genug, Pfützen, in denen eine dunkle ölige Soße schwamm, aber Futter? In Grosny gab es nichts mehr, wovon man hätte leben können.
    Dann dachte Grischa an die Toten in den Häusern, auf den Straßen, Zivilisten in der Mehrzahl, durch Fäulnisgase aufgeblähte Körper mit grauenhaft deformierten Gesichtern.
    Und er erinnerte sich, an einigen von ihnen tiefe Bisswunden gesehen zu haben. Als hätte man ihnen Fleischstücke herausgerissen. Jetzt ahnte er, wie die Hunde überlebt hatten. Sie kamen langsam heran wie Strauchdiebe, nervös in der verbrannten Luft schnuppernd, witternd, in der Abwesenheit ihrer Besitzer waren sie völligverwildert, waren zurückgekehrt zu ihrer ursprünglichen Daseinsform.
    Als sie die brachliegende Beute erblickten, die nächste lohnende, sie überleben lassende Mahlzeit, beschleunigten sie ihr Tempo, achteten dabei aber weiterhin auf jedes verräterische Geräusch. Doch es blieb still.
    Grischa wusste warum, und ein tiefer eiskalter Zorn breitete sich in ihm aus. Die

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