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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Frankfurter Würstchen aussah. Nur daß ich nie ein Würstchen gesehen hatte, das Habachtstellung einnahm.
    Â»Ich nehme das Kalb in Aspik«, sagte er und bedeckte sich wieder.
    Mit hochrotem Gesicht ging ich in die Küche zurück. Es war so rot, daß die Köchin es sofort bemerkte. »Was hast du getan?« herrschte sie mich an. »Hast du was fallen lassen?«
    Â»Nein Ma’am, ich … ich bin bloß gestolpert, das ist alles«, log ich, weil ich es nicht übers Herz brachte, die Wahrheit zu sagen. Zu niemandem.
    Fran, die eine Bestellung entgegennahm, hörte uns und kam zu uns herüber. »Tisch sechs?« fragte sie flüsternd.
    Ich nickte und sah zu Boden.
    Â»Der alte Saubär. Gestern hat er’s bei mir gemacht. Du solltest was fallen lassen. Ein Krug mit Eiswasser. direkt in seinen Schoß! Geh nicht mehr hin, Matt. Ich laß seinen Tisch von Weaver bedienen.«
    Â»Fran! Wo bist du?« bellte die Köchin. »Na los. mach schon …«
    Sie konnte ihren Satz nicht beenden, weil im selben Moment der Angriff auf unsere Küche begann.
    Es gab eine Explosion, lauter als die Stadtkanonen von Old Forge am 4. Juli. Schlimmer als alles, was ich je gehört hatte. Ada schrie auf, und ich auch.
»Oh mein Gott«,
rief Henry. Ein Schrapnell zischte durch die Luft, traf eine der Gaslampen, und Glassplitter regneten herab. Ada und ich duckten uns hinter die Kühltheke und klammerten uns aneinander. Es folgte noch eine Explosion und danach noch eine. Wieder gab es Geschrei, und Glassplitter regneten herab. Ich wagte einen Blick nach oben und sah ein halbes Dutzend Einschläge in der Decke. Mehrere Lampen und ein Fenster waren zerbrochen.
    Plötzlich spürte ich etwas Warmes und Nasses auf meinem Gesicht. »Ada!« rief ich verzweifelt. »Ada, ich glaub, ich blute.« Ada hob den Kopf, sah mich an und berührte meine Wange. Ich blickte auf ihre Finger. aber sie waren nicht rot, wie ich erwartet hatte, sondern weiß. Ada roch daran. »Riecht wie Milch«, sagte sie. Ohne einander loszulassen, standen wir vorsichtig auf.
    Fran und Weaver spähten hinter dem Eisschrank hervor. Bill hatte sich unter den Spültisch verkrochen. zwei andere Bedienungen und ein Hilfskellner waren in den Kellergang geflüchtet. Ich sah, wie die Tür einen Spalt aufging, und sie ins Helle blinzelten. Die Küche war ein Schlachtfeld, ein völliges Chaos. Die gleiche klebrige Flüssigkeit, die auf meinem Gesicht war. tropfte von der Decke. Überall lagen Glassplitter – auf den Tellern, den Bestecktabletts, den Vorlegeplatten und über den ganzen Boden verstreut. Ein Kuchenteig, drei Pasteten, eine Schüssel mit Hefeteig, ein Topf Gelatine, eine Schüssel mit Suppe, vier Bleche mit Plätzchen und eine Krabben-Mousse waren ruiniert.
    Unter dem großen Arbeitstisch vor dem Herd drang ein Stöhnen heraus. Es war die Köchin, die mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag. Ada und ich liefen hin, um ihr zu helfen. Sie sah sich um und schüttelte den Kopf angesichts der Zerstörung.
    Â»Wo ist Henry?« keuchte sie. »Wo zum Teufel ist er?«
    Henry kam aus der Speisekammer. Er war kreidebleich und zitterte.
    Â»Sie haben die Dosen auf den Ofen gestellt. stimmt’s?« brüllte sie ihn an.
    Â»Sie. Sie wollten mich töten!« brüllte Henry zurück. »Sie sagten, mach die Milch heiß, und dann
Peng! Peng! Peng
!«
    Â»In einem Topf, Sie Trottel! In einem Topf! Sie können doch die Dosen nicht heiß machen! Die explodieren doch. Wissen Sie das denn nicht? Aus was für einem gottverdammten, elenden Kaff kommen Sie denn?« schrie sie.
    Â»Sie wollten mich töten«, beharrte Henry. Widerspenstig.
    Â»Nicht entschlossen genug«, erwiderte die Köchin und nahm ein Fleischmesser. Henry schoß durch die Fliegentür hinaus, sie hinter ihm her.
    Eine halbe Stunde später stand sie wieder am Herd und wischte ihn sauber, aber Henry war nirgendwo zu sehen. Der Rest von uns war mit Putzen und Aufwischen beschäftigt. Ich stand an der Spüle, wusch meinen Lappen aus und war überzeugt, daß ich in einem Irrenhaus angeheuert hatte. Nur daß die Irren hier frei herumlaufen, Sachen in die Luft sprengen oder sich gegenseitig mit dem Tod bedrohen durften. Ich erinnerte mich, was Pa mir gesagt hatte: Er oder Royal würden mich holen, wenn ich heimkommen wollte. Ich erinnerte mich auch, was er

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