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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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berühmteste Feder aller Helfer«, sagte sie. »Es ist also einfach nur passend, wenn er der Meine ist. Dein Liebling Kiran ist ganz anders, wenn er alleine mit mir ist.« Sie grinste.
    Dein Liebling Kiran. Waren ihre Gefühle so offensichtlich, oder hatte Clea die unheimliche Fähigkeit, in ihr Herz zu blicken? Bryn wurde rot und hoffte, Dawn oder Alyce würden sich einmischen. Aber niemand sagte ein Wort.
    Clea seufzte geziert. »Dieser kleine Platz, den ihr euch hier im Unkraut geschaffen habt, hat Charme«, sagte sie.
    »Er rangiert mindestens eine Stufe über einer Jauchegrube. Aber die Unterhaltung ist ziemlich eintönig.«
    Bryn schaffte es zu sagen: »Weil eigentlich nur du redest.«
    Cleas blaue Augen glitzerten kalt. Beim Aufstehen raschelte ihr Kleid. Sie und Eloise gingen und bald waren ihre verächtlichen Stimmen nicht mehr zu hören.
    »Hoffentlich fällt sie in eine Jauchegrube«, murmelte Bryn. »Dieses Aasfresserweib!«
    Willow und Dawn kicherten.
    »Glaubst du, dass das mit Kiran und Clea stimmt?«, fragte Alyce und blickte Bryn an.
    Dawn zuckte mit den Schultern. »Clea will Kiran für sich haben, so viel ist klar.« Sie rappelte sich hoch, nahm ihren Umhang auf und legte ihn sich über den Arm. »Ich denke, ich mache jetzt die Berechnungen fertig, die Ishaan mir überlassen hat.« Sie griff nach dem leeren Apfelweinkrug.
    »Und mein Brotteig müsste jetzt so weit sein, noch einmal durchgeknetet zu werden«, sagte Alyce und stand ebenfalls auf.
    Mit Kletten an den Kleidern brachen sie zurück zum Tempel auf. Und unablässig gingen Bryn Cleas Worte durch den Kopf: Dein Liebling Kiran ist ganz anders, wenn er alleine mit mir ist.

 
     
Winter
     
     
     
16
     
    Als die Wintersonnenwende näher rückte, bat Bryn Dawn, ihr dabei zu helfen, etwas aus den Schränken für gebrauchte Kleider herauszusuchen, das sie zum Tanzen anziehen konnte.
    Dawn verzog das Gesicht. »Da kommst du ausgerechnet zu mir? Du hast die richtige Größe, um in jedem Fetzen noch schön auszusehen. Ich muss zwei Fetzen aus den Schränken ergattern und die dann noch zusammennähen, damit ich was habe, das lang genug für mich ist.«
    Sie verdrehte die Augen.
    In den Schränken wurden die Sachen aufbewahrt, die von den reichen Helferinnen ausgemustert worden waren. Die ärmeren Helferinnen durften sich aus diesem Bestand immer wieder etwas aussuchen.
    In Bryns Kopf flackerte die Erinnerung an den Tag ihrer ersten Vogelweihe auf, als Jacinta mit viel Geschick weiße Bänder über Dawns Verband gelegt hatte. Die von der Taube erwählte junge Frau sah eigentlich immer schön und elegant aus. »Komm, wir fragen Jacinta, ob sie uns hilft«, meinte Bryn.
    Sie fanden sie hinter ihrem Vorhang. Dawn trug ihre Bitte vor. »Vernelda wird es dir danken. Hilf uns bitte!«
    Jacinta lächelte sie mit einem warmen Blick aus ihren braunen Augen an. »Wie möchtet ihr denn aussehen?«
    »Ich will nicht, dass mich die Leute wegen meiner Größe anglotzen«, murmelte Dawn.
    Jacinta legte den Kopf etwas schräg. »Die Leute gucken dich in jedem Fall an, Dawn. Warum sollst du dich davor verstecken? Gib ihnen etwas, das sie bewundern können, wenn sie dich ansehen.«
    Dawn ließ den Kopf hängen. »Keine Chance.«
    »Aber du bist etwas Besonderes«, sagte Jacinta.
    »Wenn du bereit bist, in jeder freien Minute zu nähen, wirst du wie eine Königin aussehen.« Sie wandte sich an Bryn. »Und was ist mit dir?«
    Bryn biss sich auf die Lippen. Sie fühlte sich oft so unscheinbar. »Ich möchte nicht so langweilig wie sonst immer aussehen.«
    »Na, nichts einfacher als das«, versicherte ihr Jacinta.
     
    Ein paar Tage vor der Wintersonnenwende erreichte ein Abgesandter von Kaiser Dolen aus Sliviia den Tempel des Orakels. Ilona wurde gebeten, in Renchalds Allerheiligstes zu kommen, um dessen Botschaft zu hören.
    Renchald stand am Fenster und blickte in den dunklen Winterabend hinaus. Das Kerzenlicht reflektierte sich auf der silbrigen Strähne in seinem Haar. Er drehte sich um und verbeugte sich.
    »Lord Morlen ist tot«, sagte er ohne Umschweife.
    »Getötet von einer jungen Frau mit einem Messer.«
    Ilona spürte, wie ihre Knie nachzugeben drohten.
    Schnell setzte sie sich. »Bryn hat seinen Tod vorausgesehen.« Im Kopf überschlug sie die Zeitspanne. »Anderthalb Jahre, bevor es geschah.«
    Er blickte auf sie hinunter. »Genau. Wie ich Euch schon vor langem gesagt habe: Bryn ist eine außergewöhnliche Prophetin. Allerdings hat sie unter Eurer

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