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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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spät. »Ich schreibe an meiner Magisterarbeit über die Anti-Manchu-Botschaften, die in Gemälden der Qing-Dynastie verschlüsselt sind.«
    O Gott, war es Qing oder Ming? Oder keins von beiden? Oder sogar alle der obengenannten?
    »Sie machen Witze.«
    Bitte, laß es nicht »Sie machen Witze« sein, wie in: »Sie machen Witze, darüber habe ich auch meine Magisterarbeit geschrieben.«
    »Nein.«
    »Das ist hoffnungslos altmodisch.«
    »Viele Leute sagen das gleiche über mich.«
    »Wieso interessieren Sie sich für etwas so… Obskures?«
    »Ich mag das Obskure.«
    Wenigstens das stimmt, dachte er. Meine richtige Magisterarbeit handelt schließlich von sozialer Entfremdung in Smolletts Romanen. Also los, hab’ Mitleid mit mir und lad’ mich zum Essen ein.
    »Hören Sie«, sagte Olivia, »heute abend, das ist wirklich eine ganz private Sache. Aber ich bin sicher, Lan wird morgen hier sein, wenn wir die Ausstellung abbauen. Können Sie dann noch einmal wiederkommen? Vielleicht können wir Mittag essen gehen?«
    Klar, und vielleicht erzählst du heute abend Li Lan und Dr. Bob von dem komischen Besucher, den du heute hattest, und sie machen wieder die Flatter. Vielleicht hast du mich sogar selber schon durchschaut.
    »Ich fahre morgen leider schon zurück.«
    »Das tut mir leid«, sagte sie. Dann, als wollte sie ihm wenigstens den Trostpreis nicht vorenthalten, sagte sie: »Habe ich Ihnen einen Katalog gegeben? Darin sind Fotos von den Bildern.«
    Sie gab ihm einen fetten Vierfarb-Katalog.
    »Vielen Dank. Könnten Sie Li Lan vielleicht bitten, ihn für mich zu signieren?«
    »Das können Sie sie selbst fragen. Da kommt sie gerade.«
    Ich habe nicht mal die Tür gehört. Ich bin wirklich außer Übung, dachte Neal.
    Dann dachte er überhaupt nichts mehr und verliebte sich einfach. Es war, als würde er von der Klippe in die Wolken stürzen. Hin zu Li Lan im Nebel.
    Olivia sagte: »Li Lan, Neal Carey. Neal Carey, Li Lan. Neal ist ein großer Verehrer deiner Arbeit.«
    Sie brauchte einen Moment, um zu verstehen, dann errötete sie und stellte ihre beiden Einkaufstüten ab. Sie neigte ihren Kopf. »Vielen Dank.«
    Neal war überrascht, ebenfalls zu erröten, und noch überraschter, daß er sich auch verneigte. »Ihre Bilder sind wunderschön.«
    Sie war klein und ein wenig schlanker, als er vermutet hatte. Sie trug ein T-Shirt voller Farbkleckse und eine schwarze Jeans, und sah sogar darin elegant aus. Ihr Haar war zurückgekämmt, der Pferdeschwanz mit einem einfachen blauen Band zusammengehalten. Die freundlichen braunen Augen leuchteten wie Sonnenschein auf Herbstblättern.
    »Ich war in der Stadt«, sagte sie zu Olivia. »Habe ein paar spezielle Zutaten für heute abend eingekauft.«
    »Du hättest dich doch von Bob oder Tom fahren lassen können. Ich ruf Tom an, daß er dich abholt.«
    »Ich kann gehen«, sagte sie. »Es ist ein schöner Tag. Und sie haben im Garten zu tun.«
    »Ich ruf ihn an.«
    Li Lan neigte wieder den Kopf. »Wie du möchtest.«
    »Neal studiert chinesische Kunst«, sagte Olivia.
    Oh, Scheiße! Scheiße, Scheiße, Scheiße. Scheiße.
    »Wirklich?« fragte Li Lan.
    Nun ja, nein.
    »Er forscht über Gemälde der Qing-Dynastie. Etwas Politisches.«
    Wäre er aufmerksam gewesen, wäre er in Form gewesen, hätte er Lis winziges Zucken bei dem Wort politisch bemerkt. Sie sah ihn an, und sagte: »Oh, ja… Chinesische Gemälde können vieles zugleich bedeuten. Bild einer Blume ist Bild einer Blume, aber auch Bild von Einsamkeit. Qing-Bild von – wie ist das Wort? – Goldfisch… nur Fisch, kein Wasser. Vielleicht ist es über Chinesen ohne Heimat. Vielleicht ist es nur über Goldfisch.«
    »Bedeuten Ihre Bilder verschiedene Dinge?« fragte Neal. Seine Stimme klang komisch, dünn und hohl.
    Sie lachte. »Nein, es sind nur Bilder.«
    »Von wirklichen Orten?«
    »Für mich.« Sie lächelte scheu, dann wurde sie ernst und starrte zu Boden.
    Kein Wunder, daß er sie liebt, dachte Neal. Renn, Doktor Bob, renn davon. Nimm sie mit, oder folge ihr bis ans Ende der Welt, aber laß sie nicht gehen.
    Plötzlich wollte er immer weiter mit ihr reden. »Meinen Sie die geistige Wirklichkeit?«
    Sie sah ihn wieder an und sagte: »Das ist die einzige Wirklichkeit.«
    »Ihr zwei habt so viel zu bereden«, sagte Olivia. Eine dieser unausgesprochenen Fragen, die Frauen sich gegenseitig so gut stellen können. Möchtest du ihn zum Essen einladen? Hätte Bob was dagegen? Ich find’s okay, wenn du es okay findest.
    »Dann

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