Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
muß er uns beim Essen Gesellschaft leisten«, sagte Li Lan. »Ist das recht?«
»Was für eine gute Idee!« sagte Olivia, als wären weder sie noch Neal darauf gekommen, obwohl alle drei genau wußten, wer die Anregung dazu gegeben hatte.
»Ich muß Sie warnen, ich koche. Ist es immer noch recht?«
»Klingt wunderbar.«
»Ist es nicht, aber ich würde mich freuen.«
»Acht Uhr?« fragte Olivia sie beide.
»Großartig«, sagte Neal.
»Sehr gut«, sagte Li Lan. »Und jetzt gehe ich besser, mache mich an die Arbeit.«
»Ich ruf Tom an.«
»Nein, bitte, ich kann laufen.«
»Die Tüten sehen sehr schwer aus«, sagte Neal.
»Nicht so schwer.«
Olivia schüttelte den Kopf und sagte zu Neal: »Sie ist eine starke Frau.«
Li Lan zeigte ihren Bizeps und guckte drohend. »Oh, ja. Sehr stark.« Dann brach sie in scheinbar hilfloses Gelächter aus.
Worauf Neal mit einem Mal wußte, was hilflos sein heißt.
Also tat er etwas, was er konnte. Er ging in die Bücherei. Vielleicht würde es ihn beruhigen, und vor allem mußte er knochentief in chinesische Kunst einsteigen. Verdammt, dachte er, warum mußte ich mit dieser dummen Lüge ankommen?
Reg dich ab, sagte er sich. Li Lan ist wunderschön, na und? Das wußtest du vorher. Sie ist Künstlerin und keine Nutte? Na und? Du kennst ein paar beschissene Künstler und ein paar prima Nutten, also hüte dich vor falschen Schlüssen. Sie hat ein Bild gemalt, daß deine Seele in den Bann geschlagen hat, na und? Schließlich ist da ohnehin nicht viel Seele zum Beeindrucken.
Also, was hast du mit dieser Li Lan? Es geht um Pendleton. Vergiß es. Schüttle es ab. Es ist nur ein neuer Job, und das Ziel ist, Pendleton nach Hause zu schicken, seinen kalifornischen Traum zerplatzen zu lassen und ihn zurück ins Labor zu befordern. Dann kannst du auch wieder an deinen eigenen Schreibtisch zurück. Also los.
Und? Was nun? Du kannst ihr nicht zwei Mille in die Hand drücken und sagen, sie soll sich verpissen. Vielleicht geht sie mit ihm nach North Carolina. Aber sicher. Vielleicht geht er mit ihr nach Hongkong. Vielleicht… vielleicht solltest du einfach erst mal mit ihnen reden. Pendleton die ganze Sache erklären und sehen, was passiert. Verlier’ nicht den Kopf und tu deinen verdammten Job.
Er fand die Abteilung über asiatische Kunst im Themenkatalog, dann marschierte er zu den Regalen und versuchte, sich auf Landschaftsmalerei der Qing-Dynastie zu konzentrieren. Er versuchte es. Aber er starrte bloß Li Lans Foto im Katalog an.
Er erwischte am Terminal Square ein Taxi und gab dem Fahrer die Adresse der Kendalls. Olivia öffnete ihm. Sie hatte sich umgezogen und trug nun ein weißes Brokat-Jackett über einer schwarzen Seidenhose. »Zur Feier des Tages«, sagte sie und fuhr mit den Fingern über ihr Jackett.
»Sieht sehr schön aus«, sagte Neal.
»Ein Geschenk von Li Lan. Bitte, kommen Sie herein.«
Das Haus schien für magische Abende gebaut worden zu sein. Das große, offene Wohnzimmer wurde von Fenstern dominiert, die sich vom Boden bis zur kathedralenhohen Decke erstreckten. Der Boden bestand aus langen Hartholzplanken, die blank poliert waren. Rohe Zedernholzbalken spannten sich über die weite Decke. Die eierschalenfarbenen Wände betonten die Schwarz-Weiß-Fotos, die neben Drucken und Gemälden dort hingen.
Draußen war eine große Holzplattform zu erkennen. Stufen führten von der Plattform hinunter zu einem Patio, der von einem Zedernzaun umgeben war, der sie von den vereinzelten Häusern auf gegenüberliegenden Hügeln abschirmte. Topfpflanzen, Blumen und Bonsais standen auf der Plattform um ein versenktes Jacuzzi-Becken herum.
Ein großes Jutesofa stand vor einem gläsernen Couchtisch, man konnte von ihm aus durch das große Fenster sehen. Zwei Sessel standen neben dem Sofa, eine Art Sitzecke. Links daneben stand der Eßtisch, noch weiter links, hinter einem Frühstückstresen, befand sich eine geräumige Küche mit einem großen Arbeitsblock in der Mitte.
Der Tisch war gedeckt mit schwarzem Geschirr, schwarzen Gläsern, einem schwarzen Teeservice. Eine große weiße Lilie in einer schwarzen Vase in der Mitte.
Li Lan stand in der Küche, konzentriert rührte sie in einem zischenden elektrischen Wok. Dr. Robert Pendleton stand neben ihr, er hielt eine Platte mit gehacktem Tofu.
»Okay… jetzt«, sagte Li Lan zu ihm, und er kippte den Tofu in den Wok.
»Noch zwei Minuten«, sagte sie.
»Zeit genug, unseren Gast kennenzulernen«, sagte Olivia.
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