Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
jede Menge Klunker und ein paar Ölgemälde von Hongkong: Blick vom Victoria Peak, Kowloon bei Nacht, Sampans im Hafen. Teure Souvenirs, keine Kunst.
»Sehr«, entgegnete Neal. »Ich hoffe, Sie können mir helfen.«
»Dafür bin ich hier.«
»Ich bin Privatdetektiv aus den Vereinigten Staaten und suche nach dieser Frau«, sagte er und reichte ihr ein Flugblatt.
Sie betrachtete es nervös. »Oje.«
»Diese Frau, Li Lan, ist Künstlerin. Malerin, um genau zu sein.«
»Ist sie in Schwierigkeiten?«
Irgendwie schon.
»O nein, im Gegenteil. Sehen Sie, ich arbeite im Auftrag der Humboldt-Schmeer-Galerie in Fort Worth. Wir würden gern eine große Ausstellung mit Li Lans Bildern veranstalten, aber sie scheint umgezogen zu sein, und wir können sie nicht erreichen. Deswegen behellige ich Sie damit. Kennen Sie sie vielleicht?«
»Es gibt so viele Künstler in Hongkong, Mr. Carey…«
»Das sollte es auch, an so einem schönen Fleckchen Erde.«
»Leider muß ich sagen, daß ich sie nicht kenne und wir auch ihre Bilder nicht im Angebot haben.«
»Dennoch vielen Dank für Ihre Mühe. Darf ich Ihnen das Flugblatt dalassen, falls Ihnen noch etwas einfällt?«
»Ja, natürlich.«
»Meine Telefonnummer steht drauf.«
»Im Hotel… wie praktisch.«
»Selbstverständlich gibt es eine angemessene Belohnung, und auch Miss Li wird keineswegs leer ausgehen, wenn wir sie finden.«
»Ich verstehe.«
Das wird Miss Li auch, sobald sie davon erfährt. Der Name Neal Carey wird eine Glocke läuten lassen. Hi, erinnern Sie sich? Letztes Mal als wir uns sahen, war ich tot.
In der nächsten Stunde besuchte er drei weitere Galerien in der Nathan Road. Keiner hatte je von Li Lan gehört. Neal wechselte die Richtung und die Straßenseite und schaffte noch vier Galerien, bevor er wieder das Hotel erreichte. Nur ein einziges Mal konnte Neal einen Blick auf Ben Chin erhaschen, und einmal glaubte er, den Türöffner in der Menge vor sich gesehen zu haben.
Neal fragte an der Rezeption nach Nachrichten. Nichts. Also ging er weiter nach Süden, ins Herz des Touristen-Distriktes Tsimshatsui. Es war mittlerweile sehr heiß geworden. Touristen, Bummler und Einwohner Hongkongs verstopften die Bürgersteige. In den nächsten sechs Blocks beehrte Neal drei weitere Galerien. Keiner hatte je von Li Lan gehört, niemand erkannte die Frau auf dem Bild. Neal ließ ihnen trotzdem Flugblätter da.
Nach zwei Stunden und vier weiteren Galerien erreichte er den Star Ferry Pier, den südlichsten Punkt Kowloons. Er konnte auf der anderen Seite des Kowloon Bay die grauen Wolkenkratzer sehen. Victoria Peak überragte sie alle, wie eine Herbergsmutter. Neal entdeckte den Türöffner vor sich, auf der Rampe zur Fähre. Er starrte ihn nervös an, warf seinem Boß in Neals Rücken einen Blick zu, sah dann hinüber zur Fähre. Neal verstand: Wollte er mit der Fähre nach Hongkong Island fahren? Das wäre nicht so einfach. Neal ging zurück in die Nathan Road und entfernte sich vom Pier. Er konnte Chins Netz eher spüren als sehen, und er wußte, daß der Türöffner rennen würde, um wieder an die Spitze zu kommen. Neal ging langsam, um ihm die Sache in der Mittagshitze etwas einfacher zu machen.
Er entschied, daß er sich die Galerien auf Hongkong Island am nächsten Tag vornehmen würde. Er mußte langsamer arbeiten und sie Witterung aufnehmen lassen. Wenn jemand die Nase in den Wind reckte, konnte er Neals Duft kaum verpassen.
Auf dem Rückweg zum Banyan Tree besuchte er noch fünf Galerien, aber niemand kannte Li Lan.
Im Banyan wartete der Türöffner vor Neals Zimmertür.
»Wie geht’s?« fragte Neal.
Der Türöffner nickte und lächelte schüchtern.
»Okay«, sagte er.
»Okay.«
Mein Gott, dachte Neal, er sieht aus, als wäre er zwölf.
Dann fiel ihm ein, daß er noch jünger gewesen war, als er angefangen hatte, für die Freunde zu arbeiten.
Der Türöffner stand immer noch da, als wollte er etwas sagen, traute sich aber nicht.
»Möchtest du reinkommen?« fragte Neal.
Der Türöffner grinste. Er verstand kein Wort.
»Was trinken? Äh… Coca Cola?«
Der Türöffner tippte auf sein Handgelenk, dann zeigte er auf Neals. Neal betrachtete die billige Timex, die er vor mindestens drei Jahren gekauft hatte.
»Die Uhr? Du magst die Uhr?«
Der Türöffner nickte begeistert.
Neal band seine Uhr ab und reichte sie dem Jungen. Offenbar hatte ein Türöffner in der rätselhaften Hackordnung der Gang keine Uhr verdient. Der Türöffner band sich die
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