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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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klettern lassen? He? Warum haben Sie nicht gesagt, daß sie weg ist?«
    Die Antwort war eine Variation des »Sie-haben-nichtgefragt«-Themas.
    »Wo ist sie hin?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Wollen mal sehen, ob Sie fliegen können.«
    Der Türöffner packte sie von hinten und legte seine Hand über ihren Mund, um ihren Schrei zu dämpfen. Neal stellte sich vor das Fenster.
    »Sagen Sie ihm, er soll sie loslassen«, sagte er.
    »Halten Sie sich raus.«
    »Ich zahle die Rechnung, ich gebe die Anweisungen«, entgegnete Neal.
    »Sie kriegen eine Erstattung. Jetzt gehen Sie weg.«
    Neal knallte das Fenster zu. Er merkte, wie seine Knie zitterten, und wußte, wenn Chin die Frau aus dem Fenster werfen wollte, konnte er es tun. Scheiße, dachte er, wenn er mich aus dem Fenster werfen will, kann er das auch tun.
    Da ihm keine sonderlich witzigen, eindrucksvollen Drohungen in den Sinn kamen, sagte er: »Was könnte sie uns schon sagen?«
    »Alles«, sagte Chin. »Die alte Schachtel sitzt vielleicht seit vierzig Jahren unten. Sie sieht jeden kommen und jeden gehen. Wenn sie jemand furzen hört, weiß sie, was er zu Mittag gegessen hat.«
    Chin stellte sich vor die Frau und bohrte ihr den Finger in die Brust. »Reden Sie.«
    Sie stieß einen langen Monolog aus.
    »Welcher Mann? Was für ein Mann?« fragte Chin.
    Noch ein Monolog. Als sie fertig war, bedeutete Chin dem Türöffner, sie loszulassen. Sie sank auf die Knie, schnappte nach Luft und sah Neal haßerfüllt an.
    Chin war nicht wesentlich freundlicher, als er sagte: »Okay, Mr. Gandhi. Die alte Nichtswisserin sagt, Ihr Baby sei hier mit einem kweilo gewesen – einem Weißen –, nur einen Tag. Dachten Sie, die Alte würde das nicht mitbekommen? Glauben Sie, irgendwer im ganzen Block würde das nicht mitbekommen? Sie sagt, ein anderer Mann wäre an beiden Tagen zu Besuch gewesen. Ein Chinese. Sie sagt, die drei wären heute morgen zusammen gegangen, aber sie weiß nicht, wohin, es wäre gut für sie, wenn sie damit die Wahrheit gesagt hat.«
    Neal setzte sich auf das Fensterbrett. Er war müde und wütend und mochte den hochnäsigen Ausdruck auf Chins Gesicht nicht.
    »Okay«, sagte Neal, »Sie haben also rausbekommen, daß sie hier waren, aber nicht mehr hier sind, und daß sie mit einem Chinesen abgehauen sind. Dann sollte es ja einfach sein, sie zu finden. Wir müssen bloß noch einen Chinesen finden.«
    Chin starrte ihn an, als denke er wieder über das Fenster nach. Neal sah den Türöffner an und zeigte auf die Tür. Chin nickte sein Okay, und der Türöffner ging.
    »Noch was«, sagte Neal zu Chin. »Ich mag nicht, wie Sie arbeiten. Wenn Sie mit mir arbeiten, gibt es ein paar Sachen, die man nicht tut – ist mir egal, ob es Ihr Land und Ihre Sprache ist. Eine der Sachen, die man nicht tut, ist, alte Frauen hart rannehmen, oder überhaupt Frauen, oder überhaupt irgendwen, es sei denn, man muß. Und mit ›müssen‹ meine ich, nur, wenn wir in echter, physischer Gefahr sind. Wenn Ihnen das nicht paßt, kein Problem – hauen Sie einfach ab, ich mach’ den Job allein zu Ende.«
    Es dauerte ein paar Minuten, bis Chin antwortete:
    »Sie haben keine Ahnung, wie man hier arbeitet«, sagte er leise.
    »Ich weiß, wie ich arbeite.«
    »Wenn Sie vor meinen Leuten so mit mir geredet hätten, hätte ich Sie töten müssen.«
    Neal erkannte ein Friedensangebot, wenn er eins hörte. Er mußte Chin die Chance geben, sein Gesicht zu wahren.
    »Ich weiß. Deswegen habe ich ihn rausgeschickt. Ehrlich gesagt, ich hatte schon Angst.« Er zeigte Chin sein schüchternstes Lächeln.
    Chin lachte auch, der Deal war abgemacht.
    »Okay«, sagte Chin. »Ihr Scheckbuch, Ihre Regeln.«
    »Okay. Und jetzt?«
    Chin dachte eine Sekunde nach.
    »Tee«, sagte er.
    »Tee?«
    »Hilft beim Denken.«
    »Dann Tee. Ich brauche alle Hilfe, die ich kriegen kann.«
    Chin holte eine Geldrolle aus seiner Hosentasche, pellte eine 10-Hongkong-Dollar-Note ab und gab sie der alten Frau.
    »Deui miyuh«, sagte er. (»Tut mir leid.«)
    Sie stopfte den Geldschein in ihre Bluse und grunzte: »Zigarette!« Er gab ihr das ganze Päckchen. 
     
    Das Teehaus war eher ein Vogelhaus. Neal kam es vor, als hätte jeder zweite Gast mindestens einen Käfig mit einem Vogel bei sich.
    »Ich komme mir so underdressed vor«, sagte Neal zu Chin, als sie sich an einen kleinen runden Tisch setzten. Der Türöffner war vor ihnen hineingegangen, hatte den Tisch überprüft und war wieder hinausgekommen. Die übrigen

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