Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
Und er hatte auch nicht gewußt, daß Handschellen so schwer sein können. Gefesselt und splitternackt, das wußte er, würde er keine Chance haben, also kletterte er brav wieder in seine Nische.
    Er dachte, vielleicht konnte er es einfach aussitzen. Simms würde die ganze Stadt nach ihm durchkämmen, irgendwann würde er rauskriegen, daß er in diesem Niemandsland steckte. Genau, jede Minute konnte die Tür eingeschlagen werden und Simms würde ihn mit seiner Horde mörderischer Killer befreien. Jede Minute…
    Jede Minute verwandelte sich in jede Stunde, in jeden Tag; Neal versucht, die Tage zu zählen. Es muß in der zweiten Woche gewesen sein, als er krank wurde. Er war dazu übergegangen, die Tage anhand der Reisschüsseln zu zählen, weil sie ihm nur eine am Tag gaben. Es war genaugenommen nicht Reis, eher Reissuppe, eine schmutzige Mixtur mit ein paar Reiskörnern und Gottweiß-was noch darin. Er hatte immer seine Schwierigkeiten mit Stäbchen gehabt, und die Handschellen machten es nicht besser, vor allem, nachdem seine Handgelenke vom Gewicht des rostigen Metalls wundgescheuert waren. Aber er zwang sich, die Schüssel an den Mund zu heben und das Essen hineinzuschlürfen, und er zwang sich, den Eimer, den sie ihm gegeben hatten, zu benutzen, den Eimer, den Marvel einmal am Tag leerte, wenn er daran dachte.
    Indem er also Reisschalen zählte, kam er darauf, daß es die zweite Woche war, als sein Darm sich in Napalm verwandelte und er unter Schmerzen grün und wäßrig schiß. Er konnte nichts dagegen tun, er konnte sich nur während der Krämpfe zusammenkrümmen, und nach einer Weile konnte er nicht mal mehr das. Er konnte es nur erleiden und dann erschöpft daliegen, bis es wieder von vorn losging.
    Marvel fand das lustig, aber der alte Mann war verärgert, schrie ihn an, nahm ihm den Eimer weg. Neal nahm an, sein Gestank wäre seine letzte Rache, vielleicht würde er sie dazu bringen, ihn zu töten, was am Ende der zweiten Woche wie ein Traum erschien. Am Ende der zweiten Woche hatte er alle Hoffnungen auf Flucht oder Rettung aufgegeben. Zuerst versuchte er, dagegen anzukämpfen, versuchte zu essen, obwohl jeder Mundvoll einen neuen Krampf bedeutete. Er versuchte, wenigstens den schlappen Tee zu trinken, den sie ihm gaben, denn er wußte, er würde austrocknen, und das würde ihn töten, aber jeder Schluck war wie flüssiges Feuer, und dann kam der Tag – der wievielte Tag? Wie viele Reisschüsseln? –, als er sich aufgab und einfach nur dalag und weinte, während Marvel tanzte, ihn nachahmte, lachte und schrie: »Rotes Kryptonit! Rotes Kryptonit!« und der alte Mann ihn anschrie. Neal hörte auf zu essen, am nächsten Tag hörte er auf zu trinken und fing an zu sterben. Er dachte an Li Lan, an Kuan Yin, die Göttin der Gnade, wo war sie jetzt? Er dachte an Simms, diesen inkompetenten Idioten, und dann an Joe Graham.
    Dann weinte er wieder. Bitte, Dad, hol mich. Dad. Hol mich. Bitte.
    Der Durchfall hörte auf, weil nichts mehr übrig war, die Krämpfe wurden schlimmer. Ein trockenes Feuer in seinem Bauch, das Fieber kam zweimal am Tag. Er zitterte vor Kälte, die Handschellen rasselten, seine Zähne klapperten. Er fühlte sich, als würde er mit tausend eisigen Nadeln gestochen. Dann hörte das Fieber urplötzlich auf, und er wurde mit Bewußtlosigkeit belohnt. Die Krämpfe waren sein Wecker, dann ging alles von vorne los, nach einer Weile vergaß er die Zeit, denn es gab keine Reisschüssel mehr zum Zählen.
    Deshalb war er nicht sicher, wann der Honcho auftauchte. Neal lag in der Nische und erholte sich von den Krämpfen, als er die Augen öffnete und den Honcho auf der Leiter stehen sah. Er starrte ihn an. Honcho grunzte verärgert, kletterte die Leiter herunter und schrie den alten Mann an. Wichtige Sätze unterstrich er mit Tritten nach Marvel, der in eine Ecke taumelte und sich zusammenrollte. Honcho trat ihn immer weiter, während er den alten Mann anschrie, der sich das allerdings nicht einfach anhörte, sondern aufstand und ebenfalls das Kind trat.
    Honcho kam wieder die Leiter hoch, packte Neal am Nacken und zerrte ihn in den Sitz. Dann schrie er wieder los. Er stieß seine Finger zwischen Neals Rippen und zeigte auf seine Augen, grunzte verächtlich. Er ließ Neal fallen, kletterte die Leiter runter, zeigte auf ihn und stellte eine einzige Frage.
    Neal mußte kein Chinesisch können, um zu wissen, was die Frage war: Wer würde einen wie den kaufen?
    Ich, murmelte Neal. Ich habe mindestens

Weitere Kostenlose Bücher