Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
Seine Frau hatte das nie gemocht – ihre Klagen darüber waren ein running gag zwischen ihnen gewesen. Er litt darunter, daß sie nicht mehr bei ihm war.
Er sah zum Fenster hinaus. Seine Limousine fiel auf zwischen Tausenden von Fahrrädern.
Normalerweise liebte Xao Xiyang es, durch die weiten Alleen Chengdus zu fahren, manchmal auszusteigen und unter den Bäumen über die Bürgersteige zu flanieren, aber heute war er in Eile. Heute interessierte er sich für eine Malerin mit dem Codenamen China-Puppe. Sie hatte – wenn auch nicht mit Absicht – in Hongkong eine Menge Unheil angerichtet. Dieses Unheil drohte seinen Plan zu zerstören, an dem er so viele Jahre gearbeitet hatte. Sicher, sie ist immer noch Amateurin, erinnerte er sich, aber trotzdem, ihre Fehler müssen korrigiert werden.
Insgesamt hatte sie jedoch gute Arbeit geleistet. Sie hatte ihr Mitbringsel bis nach Guangzhou geschleust, wo seine Freunde die Sicherheitspolizei unter Kontrolle hatten. Er war begierig, sie endlich wiederzutreffen und den Wissenschaftler kennenzulernen. Aber vorsichtshalber hatte er sie lange in Guangzhou versteckt gehalten; bis es sicher gewesen war, sie nach Szechuan zu bringen.
Er hatte gedacht, es würde nur ein paar Wochen dauern. Aber dann hatte der Ärger in Hongkong angefangen. Wer hätte gedacht, daß so viele Leute den jungen Mann suchen würden? Und sie machten einen solchen Lärm. Wenn dieser Lärm bis nach Peking drang… nun, er würde dafür sorgen, daß es nicht soweit kam.
Langsam erreichten sie den Stadtrand. Xao dachte über sein Vorhaben nach. Peking würde ihn dafür töten lassen. Aber er wußte, sein »Vergehen« war der patriotische Höhepunkt eines patriotischen Lebens. Möge der Gott, an den wir nicht glauben, Li Lan beistehen, dachte er. Sie hatte den Wissenschaftler gebracht, und mit seiner Hilfe müßten die Kinder niemals leiden, wie es ihre Eltern getan hatten. Es würde keinen Hunger mehr geben.
Er bat seinen Fahrer, schneller zu fahren. Dann zündete er sich eine neue Zigarette an, lehnte sich zurück und dachte nach.
Sie brauchten eine Stunde bis zum Hauptquartier des Production Team. Der alte Zhu erwartete ihn. Der alte Zhu war erst 33 Jahre alt, aber er sah älter aus.
»Hatten Sie heute schon Reis?« fragte er Zhu. Ein traditioneller chinesischer Gruß. Die Frage, ob jemand schon gegessen hatte. Nicht immer nur eine rhetorische Frage.
»Ich bin voll, vielen Dank, und Sie?« entgegnete Zhu und verneigte sich dreimal.
»Ich kann nie genug bekommen vom Reis der Dwaizhou Production Brigade.«
Zhu errötete und führte Xao in einen zweistöckigen Steinbau, welcher als Aula, Erholungsraum und Krankenhaus fungierte. Sie betraten einen großen Raum. Auf einem Bambustisch standen eine Teekanne, zwei Tassen, zwei Gläser Orangensaft; daneben lagen vier Zigaretten und ein paar Bonbons. Zhu goß Tee ein und wartete, den Grund für den Besuch des Vorsitzenden zu erfahren.
Xao nippte am Tee. Er sagte: »Ihre Zahlen für dieses Quartal sind sehr gut.«
»Vielen Dank. Auch ich denke, die Brigade hat gut gearbeitet.«
»Besonders zufriedenstellend sind die Ergebnisse des privatisierten Landes.«
Zhu nickte ernst. »Ja, ja. Vor allem, was Schweinefleisch angeht, etwas weniger bei Reis. Aber insgesamt zufriedenstellend.«
»Ich denke«, sagte Xao und zündete zwei Zigaretten an, von denen er eine Zhu gab, »wir sollten bald weitere Fortschritte machen.«
Zhu starrte zu Boden, aber Xao konnte das erregte Glitzern in seinen Augen sehen.
»Und wie?« fragte Zhu.
»Sagen wir mal… wenn ich Ihnen Zugang zu neuen Informationen verschaffen könnte, hätten Sie das Gefühl, damit etwas anfangen zu können?«
Zhu zögerte nicht. »Ja. Oh, ja.«
»Und Ihnen ist klar, daß die Quelle dieser Informationen streng geheim gehalten werden muß?«
Zhu sah Xao in die Augen und nickte.
Gut, dachte Xao. Er inhalierte den Rauch, hielt ihn in der Lunge und ließ ihn mit einem erleichterten Seufzer ausströmen.
Nach ein paar Minuten fragte Zhu: »Möchten Sie sie sehen?«
»Ja.«
»Wünschen Sie eine Begleitung?«
»Ich kenne den Weg.«
Zhu stand auf. »Bleiben Sie zum Abendessen?«
»Leider habe ich nicht die Zeit.«
»Ich lasse Ihnen etwas vorbereiten. Sie können auf dem Rückweg in die Stadt essen.«
»Das ist sehr freundlich.«
»Natürlich auch für Ihren Fahrer.«
Xao rauchte zu Ende, dann ging er hinaus und spazierte durch die warme Nachmittagssonne. Nach etwa zwei li erreichte er ein kleines
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