Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
achttausend Pfund Sterling auf einer Bank in London, Jungs, wenn ihr mich in mein Hotel bringt, schreibe ich euch einen Scheck aus. Und ich sperre ihn auch nicht. Versprochen. Wir können zusammen zur Bank gehen. Ihr könnt alles haben, Jungs.
    Aber Honcho redete einfach weiter, als hätte er ihn nicht gehört, als würde Neal einfach nur die Lippen bewegen und vor sich hinbrabbeln. Honcho zeigte auf Marvel, dann auf Neal und stellte noch eine Frage, wie: Vielleicht willst du mit ihm tauschen?
    Honcho beugte sich vor und gab Marvel ein paar Ohrfeigen, dann gab er eine Anweisung: »Kümmert euch um die Ware!« Er knallte die Tür zu. Der alte Mann brummelte irgendwas vor sich hin und ließ seine Frustration an Marvel aus, indem er ihm noch ein paar knallte, dann schickte er den Jungen weg. Ein paar Minuten später kam Marvel mit einer großen Schale Wasser und einem Lappen zurück. Er brauchte eine ganze Weile, um die Dreckkruste von Neal abzuschrubben. Er war vorsichtig, drehte Neal so sanft er konnte um und tupfte ihm die Stirn, wenn die Krämpfe kamen.
    Inzwischen war auch der alte Mann nicht untätig. Er wühlte unter seinem kang und kam mit etwas, was wie eine Art Bunsenbrenner aussah, hervor, einer langstieligen Pfeife und einer kleinen Zigarettenschachtel. Er zündete den Brenner an, und dann piekte er mit einer Nadel ein kleines Bällchen Opium auf, ein schwarz-grünes Nugget. Er hielt es über die Flamme.
    Fondue, dachte Neal. Tolle Zeit für Fondue.
    Der alte Mann blaffte Marvel an, der die Leiter herunterhastete und wartend dastand. Der alte Mann steckte das Opium in die Pfeife und gab sie Marvel, der wieder hoch in die Nische kletterte und Neal die Pfeife an die Lippen hielt.
    »Kryptonit?« murmelte Neal. Er schob die Pfeife weg.
    »Kryptonit«, sagte Marvel, dann schob er Neal die Pfeife zwischen die Lippen.
    »Rotes Kryptonit oder grünes Kryptonit?«
    »Grünes.«
    »Dann ist es okay.«
    Neal nahm einen kurzen Zug, während der alte Mann ein weiteres Bällchen Opium fritierte. Marvel kletterte runter, holte das Opium mit der Pfeife und ging wieder zu Neal.
    »Flash«, sagte Marvel.
    Neal wehrte sich nicht mehr gegen die Pfeife. Als Marvel das vierte Mal damit kam, faßte er danach und steckte sie sich zwischen die Lippen. 
     
    Neal schwebte zur Decke und dann durch das Dach hinaus. Er schwebte über die Geschlossene Stadt in den blauen Himmel und dann flog er direkt in Li Lans Gemälde hinein, das mit dem Kliff über dem Abgrund. Er setzte sich neben Li Lan auf den Steilhang und sah hinunter auf die andere Li Lan im Canyon.
    »Ich habe dich gefunden«, sagte er.
    Sie legte ihre Pinsel weg und nahm seine Hand. »Nein«, sagte sie freundlich, »ich habe dich hergeführt.«
    »Warum hast du mich verlassen?«
    »Ich wußte, du kannst fliegen.«
    Er spürte Tränen hochsteigen, dann über seine Wangen laufen. Es tat so gut zu weinen, er ließ die Tränen in seinen offenen Mund laufen, und sie schien das zu wissen, denn sie nahm eine einzelne Träne mit ihrer Zunge auf, schluckte sie und lächelte.
    Dann erkannte er sie.
    »Kuan Yin«, sagte er. »Du bist Kuan Yin.«
    Mehr Tränen liefen aus seinen Augen, und sie leckte sie von seinem Gesicht. Sie öffnete seinen Mund mit ihrer Zunge und trank mehr Tränen, während der Himmel ein leuchtendes Blau wurde und sie ihn in sich aufnahm und sanft wiegte. Sie legte ihre Hände um seinen Hinterkopf und führte seinen Mund zu ihrer Brustwarze und fütterte ihn. Sie sang sanft seinen Namen, und der Schmerz verschwand, und es war nur noch schön, nur schön, nur schön, und dann weinte sie, und er berührte ihren steifen Nacken mit seinen Lippen. Sie war feucht und warm. Und dann kam ihr Spiegelbild aus dem Abgrund und streckte die Hand aus, und Li Lan nahm sie und hielt sie fest und zog ihr Spiegelbild in sich selbst hinein, und Neal sah sein eigenes Spiegelbild unten im Nebel – die Augen versunken, das Gesicht blaß vor Schmerz und Hunger – und er streckte die Hand aus und nahm es und zog es in sich selbst, und dann waren sie alle beisammen, alle ineinander, und sie fielen vom Kliff hinunter in den Nebel.
     
     
10
     
    Xao Xiyang sog ein letztes Mal an seiner Zigarette, drückte den Stummel im überquellenden Aschenbecher aus und zündete sich eine neue an. Nervosität machte ihn zum Kettenraucher. Er hätte lieber meditieren sollen, oder Tai Chi trainieren, aber er hatte nicht genug Geduld. Ein Charakterfehler.
    Außerdem stank das Wageninnere nach Rauch.

Weitere Kostenlose Bücher