Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
er war nur ein einziges Mal am Strand gewesen und haßte ihn: zuviel Sand. Jetzt saß er in einem dieser New-England-Stühle, starrte Ed Levine an, während Kitteredge und irgendein dummer College-Affe die Feinheiten der Regierungspolitik bei einer Tasse Tee diskutierten. Das interessierte Joe Graham nicht. Er wollte nur wissen, was Neal Carey zugestoßen war.
Als dieser Simms-Trottel also etwas murmelte von der chinesischen Tradition des Quidproquo, unterbrach ihn Graham: »Also, wo ist Neal Carey?«
Levine starrte ihn wütend an, aber Levine konnte sich selbst ficken, vielleicht könnte er noch ein paar Steaks fressen und an einem Scheiß Herzanfall verrecken. Levine war sein Supervisor, aber Graham hatte Levine schon gekannt, als er nichts als ein Mietgorilla war. Er war ein taffer Jude – groß, schnell, smart und hinterlistig –, und Graham hatte kein bißchen Angst vor ihm. Im Augenblick war er so wütend, daß er seinen Gummiarm Levine in den Arsch schieben und immer im Kreis herum drehen könnte.
Simms seufzte, ließ sich aber zu einer Antwort herab: »Er ist weg.«
»Was soll das heißen?«
»Welches Wort verstehen Sie nicht, Mr. Graham?«
»Hören Sie, Sie zahnfleischfauliger Arschkeks…«
»Das reicht, Joe…« sagte Kitteredge.
Graham sah den Chef blaß vor Ärger werden.
»Nein, Sir, entschuldigen Sie, aber es reicht nicht«, sagte Graham. Er hatte das »Entschuldigen Sie« und das »Sir« eingeflochten, um seinen Job und seine Rente zu retten. »Neal Carey wird auf einen Job geschickt, und keiner sagt ihm, worum es wirklich geht, niemand sagt ihm, daß Pendleton sich mit einer Kommie-Spionin eingelassen hat. Okay, Neal legt los und kriegt ‘ne Riesenlatte für die Torte…«
»Entschuldigen Sie?« fragte Kitteredge.
»Er entwickelt eine romantische Obsession für die Frau«, erklärte Levine und warf Graham einen Halt-bloßdeine-Scheiß-Fresse-Blick zu, der aber nichts half.
»Und unser Mann im blauen Anzug«, fuhr Graham fort, »weiß, wann er andere die Arbeit machen lassen will, und jetzt läuft er hier auf und sagt, Neal sei weg. Also, Mr. Simms, das Wort, das ich nicht verstehe, ist ›weg‹. Vielleicht können Sie das erklären?«
Simms sah Kitteredge an, als erwarte er, daß der etwas sagte.
Das tat Kitteredge. »Ja, Mr. Simms, vielleicht können Sie das erklären.«
»Neal Carey hat mich aus dem YMCA in Kowloon angerufen und sagte, er habe Pendleton und Li Lan, und ich solle bitte kommen und sie holen. Ich sagte natürlich, das würde ich, und schickte sofort jemand hin. Als sie ankamen, vielleicht fünfundvierzig Minuten später, waren Carey, Pendleton und die Frau verschwunden. Als ich eine Stunde später dort eintraf, waren sie immer noch verschwunden. Das ist sechs Wochen her. Wir konnten mittlerweile ihre Spur bis zu einem Tempel in der Nähe der Geschlossenen Stadt verfolgen.«
»Was ist das?« fragte Levine.
»Der achte Kreis der Hölle. Das Areal ist nur ungefähr drei Footballfelder groß, aber vielleicht das am dichtesten besiedelte Gebiet der Welt.«
Kitteredge beugte sich über seinen Tisch. »Mr. Simms, bitte ersparen Sie uns weitere Demonstrationen Ihrer… Ausbildung. Wir haben begriffen, daß Sie durchaus intelligent sind. Nehmen Sie das als Bestätigung und fangen Sie bitte an, englisch zu reden.«
Simms wurde rot. Er mochte weder Yankees noch Iren, noch Juden, und er mußte sich dummerweise mit einer ausgesprochen unangenehmen Kombination dieser drei auseinandersetzen.
»Die Geschlossene Stadt ist Niemandsland. Es war einst ein Fort, das weder die Chinesen noch die Briten haben wollten, also wurde es von Tongs kontrolliert. Tongs oder Triaden sind Gangs…«
»Wir haben sie auch in New York«, sagte Graham.
»Schön für Sie. Jedenfalls, die Mauern sind längst zusammengebrochen, aber die Gegend ist immer noch ein unglaubliches Labyrinth, eine Ansammlung der schlimmsten Verbrechen… Drogen, Erpressung, Sklaverei, Kinderprostitution. Die Polizei taucht dort nur sehr selten auf. Touristen werden gewarnt, daß ein Schritt in die Geschlossene Stadt genau ein Schritt zu weit ist. Menschen verschwinden dort.«
Weg, dachte Graham.
»Wenn Carey in die Geschlossene Stadt entführt wurde, ist er wahrscheinlich in großer Gefahr.«
»Der kann was ab«, sagte Levine, aber Graham konnte die Sorge in seiner Stimme hören. Ed Levine sagte immer, daß er Neal Carey haßte, aber Graham wußte es besser. Außerdem war Neal einer von Eds Angestellten, einer seiner
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