Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
hören bekam. Simms wußte nicht, was Neal wußte oder nicht wußte, aber er wollte der erste sein, der ihn fragte. Dann würde er dafür sorgen, daß Carey ein für allemal verschwand, und diesen tragischen Verlust den schwachköpfigen Yankee-Idioten in Providence mitteilen.
Der Mönch kam aus dem Verschlag und führte Simms in den Tempel, vor die Statue eines verhutzelten alten Mannes, der einen Silberbarren trug. Der Mönch zeigte auf den Silberbarren, dann auf Simms.
Simms sagte dem Mönch, daß er perfekt Chinesisch sprach, besten Dank auch, faßte in seine Geldbörse und zog noch einen Hunderter hervor. Diese verdammten Buddhisten waren schlimmer als die Katholiken.
Der Mönch nahm den Geldschein, verschwand für einen Augenblick, dann kehrte er zurück und führte Simms durch eine Tür und eine Art Tunnel. Simms war froh, daß er das Teil bei sich hatte, selbst wenn er nicht vorhatte, bis zur Geschlossenen Stadt zu gehen. Der Deal war, daß sie Carey ebenfalls in den Tunnel bringen und ihn ihm übergeben würden, sobald sie das Geld gezählt hatten.
Honcho kam in das Zimmer, goß sich eine Tasse Tee ein, setzte sich und legte das Maschinengewehr beiseite. Der alte Mann starrte ihn an.
»Wo waren Sie?« fragte der alte Mann.
»Im Kino«, sagte Honcho. Er sah hinauf zu Neal. »Ist er immer noch in den Wolken?«
»Wo ist der Junge? Ich brauche hier Hilfe, wissen Sie.«
»Ich glaube nicht, daß er zurückkommt. Als ich ihn zuletzt sah, rannte er hinter einem Wagen her. Vergeblich.«
Das stimmte. Einer von Chins Männern war aufgewacht und hatte dem Jungen, als er die Nathan Road entlang rannte, ein paar Kugeln verpaßt.
»War sowieso keine große Hilfe«, sagte der alte Mann. »Wie lange wird der kweilo hier sein? Wenn viel länger, will ich einen neuen Jungen.«
»Nicht mehr lange.«
»Sie haben einen Käufer gefunden?«
Honcho holte ein Bündel Geldscheine aus der Tasche. »Vier Käufer«, sagte er. »Na ja, noch drei.«
»Wie verkauft man jemand dreimal?« fragte der alte Mann.
»Übung.« Simms wartete im Tunnel. Er wünschte, sie würden sich beeilen. Wasser tropfte von der Decke auf seinen Anzug. Der Tunnel war heiß wie ein Dampfbad. Warum konnten sie sich nicht wie Weiße benehmen und Carey in einem zivilisierten Hotelzimmer übergeben?
Er hörte Schritte kommen. Er konnte Gesichter im Dampf erkennen. Keine Rundaugen.
Simms machte einen Schritt zurück, dicht an die Wand, und wartete, daß ihr Anführer näher kam. Der Anführer war leicht zu erkennen – schick angezogen, schiefes Grinsen.
»Haben Sie nicht etwas vergessen?« fragte Simms.
»Vielleicht möchten Sie einen Chinesen-Jungen«, entgegnete Honcho.
»Vielleicht möchte ich, wofür ich bezahlt habe.«
»Vietnamese? Ich habe einen Zehnjährigen, der Ihnen gefallen würde.«
»Ich möchte den Amerikaner«, sagte Simms, mehr aus Prinzip. Er wußte, wann ein Deal daneben gegangen war. Jetzt mußte er mit heiler Haut davonkommen. »Tut mir leid«, sagte Honcho. Um einen kweilo-Idioten, der dumm genug war, allein in einen Tunnel zu gehen, mußte man sich keine Sorgen machen.
Simms lächelte, als sich zwei der Männer vor ihm aufstellten. Der dritte blieb hinter dem Anführer.
»Dann geben Sie mir mein Geld.«
»Keine Rückzahlung. Nur Handel.«
»Ich nehme das Geld.«
Simms wußte, daß er kein Geld bekommen würde, aber er brauchte etwas zum Ablehnen. In der Art: »Sie lassen mich gehen, und ich vergesse das mit dem Geld.«
Honcho zeigte mit dem Kinn auf die zwei Kerle, die Simms immer näher kamen.
»Reden Sie mit der Reklamationsabteilung.«
Der Typ links zog ein Messer heraus und wedelte damit vor Simms’ Gesicht herum. Simms zog eine Pistole aus der Tasche, zielte damit auf das Knie des Typen und drückte ab.
»Ich denke nicht«, sagte Simms.
Er stieg über den Typ hinweg, der am Boden zuckte wie ein Fisch auf einem Boot.
»Ich geh’ dann jetzt«, sagte Simms.
12
Joe Graham wartete ungeduldig auf dem schmalen, unebenen Bürgersteig der Lion Rock Road vor einem der Gebäude, die die Geschlossene Stadt wie ein Palisadenzaun umgaben. Er zitterte ein wenig, als er einen »Zahnarzt« in einem Erdgeschoß mit einem handbetriebenen Bohrer das Gebiß eines Patienten traktieren sah.
Graham war aus einer Reihe von Gründen nervös. Er war gefährlich nahe an dem verrufenen Ghetto, in das Neal Carey verschleppt worden war; er hatte keine Waffe; er war hier ohne Anweisung des Chefs. Vor allem war er
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