Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
Ich habe Li Lan gesehen und den Mund gehalten. Ich habe nicht nach ihr und Dr. Pendleton gefragt… und das mußtet ihr wissen, daß ich aufgegeben habe… Daß ich keinen Ärger mehr will… daß ihr Pendleton schnappen und damit durchkommen könnt, und daß ich die Klappe halte.
Und deswegen hat Li Lan mich gewarnt. Sie wußte, wenn ich den Mund aufmachte, bleibe ich ewig hier. Also, vielen Dank, Li Lan.
Vielen Dank, Li Lan?! Was denkst du denn da? Sie ist diejenige, die dich hat fallenlassen, und jetzt freust du dich, weil sie dich gerettet hat?! Und was hat sie damit zu tun. Was hat Olivia Kendall noch über Lans Bilder gesagt? Die »Dualität der Spiegelbilder reflektiert Konflikt und Harmonie«? Ach was. Die Frau ist ein Schizo. Das ist alles. Kein Wunder, daß Pendleton so an ihrer Möse klebt – er hat einen Ein-Frau-Harem.
Na, er kann sie haben. Ich verschwinde hier.
Aber vorher das Kloster.
Sie marschierten hinter Buddhas Kopf, wo die Klippen zu einem Plateau wurden. Ein riesiger Tempel, vollständig aus dunklem Holz, schmiegte sich in den Wald wie ein Schatten. Auf der anderen Seite des Tempels befand sich ein großer Garten mit gewundenen Pfaden, und Neal konnte sich nur orientieren, indem er über seine Schulter zu Buddhas Hinterkopf sah. Bambus, Farne und Efeu rangen um Raum unter Tannenbäumen, und im Garten war es selbst mittags düster. Der Pfad führte schließlich zu zwei kleineren Tempeln und einem weiteren Holzgebäude, das wie eine Baracke aussah. Ein paar Mönche in braunen Roben standen vor den Gebäuden und sangen, woraus Neal schnell schloß, daß dies das Kloster war. Der Pfad endete auf einem runden Platz.
Neal hatte etwas Grimmiges erwartet, aber das Gästehaus des Klosters war sehr freundlich. Auf jedem der drei Stockwerke gab es einen Balkon, der über die gesamte Breite führte; es gab acht Räume auf jedem Stockwerk. Neals Zimmer war im obersten Stockwerk. Es war klein, aber sauber und komfortabel. Ein Moskitonetz hing über dem kang. Zum Waschen gab es ein Becken mit heißem und kaltem Wasser. Eine Thermoskanne heißes Wasser, eine Teeschale mit Deckel und eine Dose grüner Tee standen auf einem Tischchen. Es gab einen Stuhl und einen schmalen Tisch. Ein Fenster hinaus zum Garten. Aus einem zweiten Fenster am anderen Ende des Zimmers konnte man auf den Wald und das Tempeldach sehen. Es gab kein Badezimmer, aber eine Toilette, vier Türen weiter. Daneben ein Raum mit großen Zedernholz-Badewannen.
Neal wusch sich und leistete dann Wu und Peng bei einem schnellen Lunch mit Fisch, Reis und Gemüse Gesellschaft. Nach dem Lunch gingen sie durch den Irrgarten zurück zu Buddhas Kopf, dann folgten sie einem Pfad auf dem Kliff entlang. Sie waren unterwegs zu einem weiteren großen Kloster, drei Meilen flußaufwärts. Neal konnte das Dach golden in der Sonne leuchten sehen.
Was sie jetzt wohl wieder von mir wollen, überlegte Neal. Vielleicht lebt Mao und ist bloß Mönch geworden, und sie wollen sehen, ob ich auch diesmal den Mund halten kann.
Mao war nicht da. Oder wenn doch, sahen sie ihn jedenfalls nicht. Dafür genoß Neal einen wunderbaren Ausblick auf das Min River Valley, besichtigte den Tempel und wollte wieder los.
Er posierte für die üblichen Touristenfotos. Vor dem Pavillon, vor dem Tempel, auf dem Weg zurück zu Buddha, auf Buddhas Zehennagel, vor Buddhas Kopf. Er perfektionierte das hölzerne Touristenlächeln, das selbstbewußte »Hier-bin-ich-vor…«-Gesicht, das klassische Blick-zum-Horizont-Profil. Es fühlte sich merkwürdig an. Er hatte sein Leben damit verbracht, nicht fotografiert zu werden, und jetzt posierte er dafür. Aber er wußte, sie brauchten die Bilder für ihren Frazier-Quatsch, also stand er da, lächelte und starrte.
Schließlich ging die Sonne hinter Buddhas Kopf unter, was die Fotosession beendete, und nach einem schlichten Dinner im Kloster schnappte sich Peng seine Kamera und ging. Neal und Wu machten es sich in einem der kleinen Pavillons gemütlich, teilten sich eine Schale Tee und plauderten ein wenig über Twain, dann schützte Neal Müdigkeit vor und sagte gute Nacht. Er zündete die Kerosin-Lampe in seinem Raum an, goß sich eine Tasse Tee ein und widmete sich eine Stunde lang Random. Er konnte sich kaum konzentrieren. Ist es jetzt vorbei? fragte er sich. Fahre ich wirklich morgen nach Hause? Und was dann? Was werden die Freunde sagen? Ich habe die Sache voll in den Sand gesetzt, und es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß sie mich
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