Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
was ist deine Geschichte?« fragte er.
Li Lan
Die Familie meiner Mutter waren reiche Landbesitzer in Hunan, sehr wichtige Mitglieder der Nationalen Partei, der Kuomintang. Meine Mutter wuchs in einem privilegierten Haushalt auf, kultiviert… wohlerzogen. Ihre Eltern waren sehr fortschrittlich. Sie glaubten, Jungen und Mädchen sollten gleich sein. Und sie glaubten, China müsse modernisiert werden. Also schickten sie ihren ältesten Sohn nach England, den jüngsten Sohn nach Frankreich, die mittlere Tochter nach Amerika. Die mittlere Tochter war meine Mutter. Als junges Mädchen, mit siebzehn, reiste sie nach Amerika, ans Smith-College.
Sie blieb nicht sehr lange. Die Japaner marschierten ein und töteten viele Chinesen. Meine Mutter kehrte heim. Ihr Vater war sehr wütend auf sie, machte sich Sorgen. Aber Mutter war patriotisch. Sie rannte davon, um zu kämpfen.
Sie wurde eine Legende. Sie rannte weg aus Hunan, nach Norden, in eine Gegend, die kontrolliert wurde von kommunistischen Guerillas. Sie trainierte hart in den Bergen. Sie lernte zu schießen, eine Mine zu legen, einen tödlichen Speer aus einem Bambusstock zu fertigen. Ihre Offiziere bildeten sie auch politisch aus, und sie wurde eine vorbildliche Kommunistin. Sie lernte, wie der große Landbesitz ihrer eigenen Familie die Massen unterdrückte, und sie hoffte, die Schande ihrer Herkunft wettmachen zu können. Erst wurde sie Kurierin, dann Spionin. Es war eine Rolle, bei der ihr familiärer Hintergrund und ihre Erziehung nützlich waren. Sie sprach wunderbar Chinesisch und konnte Japanisch und Englisch verstehen. Mutter hielt die Ohren offen. Ihre Arbeit war gefährlich, und sie liebte sie. Jede gefährliche Mission war eine Wiedergutmachung, jede Unterstützung des Krieges half, neue Frauen in einem neuen China zu bilden. Und sie verliebte sich.
Er war natürlich Soldat. Ein Guerilla-Führer und ein brillanter politischer Offizier. Sie traf Xao in den Bergen. Erst bewunderte er ihre Courage, dann ihre Schönheit, dann ihren Geist. Sie gingen noch in jener ersten Nacht miteinander ins Bett. Es war ihr erstes Mal, und irgendwie war alles dasselbe: der Krieg, der kommunistische Kampf, Xao Xiyang. Sie wußte, ihre Zukunft würde immer gemeinsam sein, ihre, Xaos und Chinas. Der Krieg dauerte lang, so lang, und nachdem sie die Japaner vertrieben hatten, begann sie gegen die faschistische Kuomintang und ihren Führer Tschiang Kai-Shek zu kämpfen.
In den Mühen, das Land von der Kuomintang zu befreien, wurde der Hintergrund meiner Mutter noch nützlicher. Sie tat also, als würde sie wieder zu ihrem Vater zurückkehren. Sie gab ihm recht, sie ging auf Partys, sie »verabredete« sich mit amerikanischen Offizieren und Spionen. Die ganze Zeit über schickte sie Nachrichten an die Partei, oftmals durch ihren Mann Xao. Als die kommunistischen Kräfte siegten, floh ihre Familie nach Taiwan, aber Mutter versteckte sich und blieb. Sie fuhr nach Peking und fand Vater dort! Sie waren zusammen am Geburtstag des neuen Chinas. Viele Male hat Mutter uns erzählt, wie sie und Vater am Tiananmen-Platz standen, Tausende roter Flaggen wehten im Wind, Tausende von Menschen waren auf dem Platz. Wie sie dort standen und dem großen Vorsitzenden Mao zujubelten und vor Freude weinten, als Mao die Volksrepublik China ausrief. Vater blieb bei der Partei und bekam einen Posten in Chengdu. Mutter wurde Propaganda-Offizierin. Ich wurde zwei Jahre später geboren, 1951.
Der arme Vater… Es war sein Schicksal, nur zwei Mädchen zu haben. Aber es störte ihn nicht. Er liebte uns sehr, kaufte uns Kleider und hübsche Dinge, band uns Schleifen ins Haar. Blau für mich, rot für meine Schwester. So wurden wir Lan Blau gerufen und Hong Rot. Xao Lan und Xao Hong.
Zuerst war alles wunderbar. Wir waren so glücklich! Obwohl wir Schwestern waren, waren Hong und ich so verschieden. Ich war schüchtern, sie sehr offen. Ich lernte malen und Musik. Hong studierte Akrobatik und Theater. Ich ging gern spazieren, Hong kämpfte gern. Mutter und Vater scherzten, daß sie vielleicht doch Tochter und Sohn hatten. Es wurde viel gelacht bei uns, es gab Gelächter und Musik und Kunst. Großes Glück.
Dann kamen die schlimmen Zeiten. Als der große Vorsitzende Mao sagte: »Laßt hundert Blumen blühen.« Das war 1957, als der große Vorsitzende alle Leute, vor allem die Intellektuellen, einlud, die Partei zu kritisieren.
Mutter tat es. Mit Enthusiasmus. Sie liebte die Partei, aber sie liebte
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