Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
gereinigt, verpackt und transportiert wurde. Sie begutachteten Hühnerställe, Ententeiche und Schweinezwinger, und Neal lernte, daß die Chinesen viel Schweinefleisch aßen. Er sah einen Wasserbüffel, streichelte einen Wasserbüffel und ritt verängstigt auf einem Wasserbüffel, während dessen kleine Besitzerin heulte, weil sie Angst um ihr Tierchen hatte. Er wurde darüber informiert, daß auf den zwanzig Ar unkultiviertem Land nicht nur Bäume und Büsche wuchsen, sondern auch Kaninchen lebten. Er sah ein paar Jäger mit antiken Flinten in dem kleinen Wäldchen verschwinden und mit einigen Kaninchen wiederkommen. Er sah, welche Mühe die Leute sich machen mußten, um zu essen und am Ende jeden Jahres noch ein bißchen was übrig zu haben. Er sah, wie schön das Land hier war.
Er sah die kleine Aufführung, die die Grundschüler für ihn einstudiert hatten, eine Mischung aus Tanz, Gesang und Parade, die ihn gleichzeitig zum Lachen brachte und anrührte.
Er sah Li Lan.
Sie stand in einem Klassenzimmer, über ein kleines Mädchen gebeugt, dem sie beim Malen half. Sie trug eine schlichte weiße Bluse, eine blaue Mao-Hose und Plastiksandalen. Kein Make-up, das Haar war mit zwei roten Bändern geteilt. Sie sah auf, sah Neal und schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf.
Neal ging zur nächsten Klasse.
Weil er jetzt verstand. Nicht alles, aber genug. Er schlafwandelte den Rest der Führung, setzte im Kopf das Puzzle zusammen. Er wußte nicht, wer wo hingehörte, aber er wußte, was zu tun war.
Nichts.
Nichts, wiederholte er. Tu nichts und halt den Mund.
Was er noch nie zuvor getan hatte.
Neal fand heraus, wie man die Kerosin-Laterne ansteckte, dann ließ er sich aufs Bett sinken. Wie nannten sie das? Ein kang. Eine Strohmatratze auf einem kleinen Sockel, darüber ein Baumwollbezug – überraschend bequem. Zhu hatte ihm angeboten, ihn in dem kleinen Erholungsclub der Kader unterzubringen, aber Neal wollte lieber in einem typischen Arbeiterhaus bleiben. Also brachten sie ihn mitten in das kleine Dorf und ließen ihn bei einer netten Familie, in deren Innenhof es eine Menge Hühner und Schweine, einen großen Kohleofen und ein Dutzend Kinder gab, die mit ihm spielten, bis das Essen fertig war und sie zu Bett gingen. Er war Millionen Kilometer über die Kommune gelaufen und sein Körper wollte sich Morpheus in die Arme werfen, aber sein Hirn wollte noch umherschweifen.
Li Lan hatte es also geschafft. Dr. Bob erfand keine Herbizide, du Idiot. Simms’ Story war ein Cover, dem Pendleton perfekt gehorcht hatte. Neal dachte zurück an jenen trunkenen Abend bei den Kendalls und an Olivias Bitte, Pendleton solle das Unkraut vernichten. Das ist nicht mein Gebiet, hatte er gesagt, ich weiß nur, wie man was wachsen läßt. Zum Beispiel Reis? Zum Beispiel drei Ernten im Jahr? Keine knurrenden Mägen mehr in China. Der alte Szechuan-Traum.
Aber warum haben sie mich hergebracht? Warum sollte ich sie sehen? Und wo steckt Dr. Bob? Warum wollte Li Lan heute nachmittag nichts mit mir zu tun haben? Sollte ich sie sehen und doch nicht sehen? Was hat es damit auf sich? Was wollen die eigentlich von mir?
Er nahm den Random und arbeitete eine Stunde, bevor er endlich einschlief.
Peng drückte ab. Die Kugel klatschte mit einem befriedigenden thwack in das Papierziel. Neben dem Fischteich war der Schießstand sein Lieblingsplatz in Dwaizhou. Er hatte den Schlüssel von Zhu bekommen, hatte aufgeschlossen und ein paar Päckchen Zigaretten und einige Bierflaschen mitgebracht. Sein Status und die Verantwortung verschafften ihm wenigstens einige Privilegien. Er schoß noch einmal und traf die Silhouette in die Stirn.
»Guter Schuß«, sagte der Amerikaner.
»Wenn Sie bloß so geschossen hätten«, sagte Peng.
Der Amerikaner zuckte mit den Achseln.
Peng ließ nicht locker. »Sie haben auf den falschen Mann geschossen, und dann haben Sie ihn verfehlt.«
»Könnte jedem passieren.«
»Ist es aber nicht. Es ist Ihnen passiert.«
Der Amerikaner trank einen Schluck Bier.
»Soll nicht wieder vorkommen«, sagte er. Er hob beiläufig seine Pistole und drückte ab. Traf zwischen die Augen des Papierzieles. Auch mit den nächsten vier Schüssen.
»Hoffen wir, daß sich die Gelegenheit ergibt«, sagte Peng.
»Das ist Ihr Job.«
Und den mache ich gut, dachte Peng. Der Plan ist perfekt. Carey hat China-Puppe entdeckt und nicht reagiert. Sie allerdings hat die Augen aufgerissen. Peng hätte sie auf der Stelle verhaftet, wenn er
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