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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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den Bürgermeister von Peking, begannen, begriff ich, daß es in Wirklichkeit sein Mentor Deng Xiaoping war, der angegriffen wurde. Das war die Methode, man griff die Unteren an, um den Grund, auf dem die Oberen standen, zu erodieren. Ich hatte Angst, denn Vater arbeitete für Deng. Dann griff der große Vorsitzende Mao selbst die Mitarbeiter der Partei an – wie Vater –, er behauptete, sie würden den kapitalistischen Weg gehen, und wir machten uns Sorgen.
    Aber wir waren auch aufgeregt, denn alle Schüler wollen eine Revolution machen. Wir malten große Poster, die den großen Vorsitzenden unterstützten, und die Revolution ebenfalls. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, denn ich dachte, daß ich vielleicht nicht loyal Vater gegenüber sei, aber Hong erklärte, daß unsere Pflicht dem großen Vorsitzenden und der Revolution gegenüber Vorrang hatte, und daß Vater stolz auf uns wäre, für unsere ehrliche Kritik. Sie kritisierte unsere Lehrer für den Mangel an Revolution. Sie kritisierte sogar mich, weil ich »nutzlose« Bilder von Bergen und Bäumen malte, statt »nützliche« Bilder mit Themen der Revolution. Ich versuchte es, aber die Bilder kamen einfach nicht. Also malte ich bald gar nicht mehr. Dann erschienen die Roten Garden, erst in Peking, dann in Shanghai, wenig später in Chengdu. Hong war eine der ersten, die sich ihnen anschloß, natürlich. Sie war so stolz in ihrer grünen Uniform mit der roten Armbinde. Ich erinnere mich, als sie das erstemal in der Uniform nach Hause kam. Mutter wurde blaß und sagte nichts, und Vater sagte nur, daß die Revolution eine komplizierte und manchmal schmerzhafte Sache sei. Hong war wütend und sagte, sie sollten sie bei der Revolution unterstützen. Sie sagte, die Roten Garden würden den großen Vorsitzenden Mao unterstützen.
    Im August stand Mao am Tiananmen Tor und nahm eine große Parade der Roten Garden ab. Das löste die Flut aus. Studenten in ganz China wurden verrückt nach Macht. Manchmal wurden drei oder vier Gruppen der Roten Garden in einer einzigen Schule gegründet! Mao rief offiziell den Beginn der Kulturrevolution aus. Studenten denunzierten Lehrer, Professoren und Parteimitglieder. Sie gingen nicht mehr zum Unterricht. Die Schulen wurden geschlossen. Alles, was wir taten, war, eine Revolution zu machen. Ich tat so wenig wie möglich, aber Hong machte alles mit. Sie marschierte mit den Roten Garden, sie organisierte eine Theatertruppe, die Revolutionsstücke auf den Straßen spielte, manchmal blieb sie Tage von zu Hause weg, blieb in unserer Schule, die die Roten Garden zu ihrem Hauptquartier erkoren hatten.
    Vater wurde im Herbst denunziert. Ich war überrascht und verletzt, daß Deng sich dem Angriff auf Vater anschloß, um sich selbst zu retten. Es funktionierte natürlich nicht, und Deng stürzte wenig später. Die Roten Garden gingen zu Vaters Büro, banden ihm die Hände hinter dem Rücken zusammen und zerrten ihn hinaus auf die Straße. Ich war daheim, als ich den Lärm hörte. Mutter war die erste am Fenster, zog schnell die Vorhänge zu. Ich schob sie beiseite und sah, wie sie Vater die Narrenkappe über den Kopf zogen… ein Seil um die Brust banden… und ihn die Ren Min Road hinabführten. Ich sah viele meiner Schulkameraden mit Müll nach ihm werfen… in sein Gesicht speien… Und die Roten Garden schrien: »Kapitalistenschwein« und »West-Marionette«. Vater sah einfach geradeaus. Sein Gesicht war ruhig, und zwei Gefühle kämpften in mir: Maß und Stolz. Haß auf die Roten Garden und Stolz auf Vater. Wie konnten so gegensätzliche Gefühle im selben Herzen leben?
    Hong kam am Nachmittag heim. Sie weinte. Ich dachte, sie trauere um Vater, aber das war nicht der Grund. Sie war aus den Roten Brigaden geworfen worden, wegen Vater. Ihr Armband war abgerissen worden, die Uniform war zerrissen. Mutter versuchte, mit ihr zu reden. Ich versuchte, sie zu beruhigen, bemerkte, daß Vater das Opfer eines Irrtums geworden war, daß sich alles bald klären würde, dann könnte sie sich an den Roten Garden rächen. Aber sie war nicht wütend auf die Roten Garden, sie war wütend auf Vater! Vater hatte ihren Sturz verursacht! Wir haben danach nie wieder darüber gesprochen.
    Vater kam nicht heim. Wir hörten, daß er im Gefängnis war. Später hörten wir, daß er in ein Arbeitslager in Xing Xiang geschickt worden war. Wir blieben danach im Haus. Wir wußten, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie uns angreifen würden. Die Roten Garden waren zu

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