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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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den Häusern anderer Offiziere gekommen, hatten nach Beweisen für westliche Einflüsse gesucht und geplündert. Es war eine schreckliche Zeit. Ich machte mir Sorgen um Vater, Mutter saß Stunde um Stunde da und sagte nichts, tat nichts, und Hong schwieg und benahm sich, als könnte sie es nicht ertragen, uns zu sehen.
    Schließlich, im November, geschah es. Es war kalt für Chengdu, und ich lag unter meiner Decke, spät nachts, als die Eingangstür eingeschlagen wurde. Wir rannten alle hinunter, um zu sehen, was passiert war. Es waren mindestens zwanzig von den Roten Garden. Der Anführer war ein großer junger Mann. Er sah wütend aus! Er schrie Mutter an: »Amerikanische Spionin! Jetzt mußt du gestehen!« Mutter starrte ihn an und antwortete: »Ich habe nichts zu gestehen. Vielleicht haben Sie etwas zu gestehen.« Er packte sie und warf sie zu Boden. Ich griff ihn an, aber er stieß mich beiseite, und zwei andere – eine davon eine Freundin aus der Schule – hielten mich am Boden. Der Anführer schrie Mutter wieder an, sie solle gestehen, aber sie schüttelte nur den Kopf. Er schlug sie auf den Kopf. Ich schrie, er solle damit aufhören, und meine alte Freundin schlug mir ins Gesicht. Der Führer trat Mutter und zerrte sie auf die Knie. »Du bist eine Spionin«, sagte er, »und die Frau eines Verräters. Wir sind hier, um die Empörung der Massen kundzutun und revolutionäre Gerechtigkeit walten zu lassen.«
    »Sie wissen nichts von Gerechtigkeit«, antwortete Mutter. »Wie können Sie sie also gewähren?«
    Er trat sie wieder, zerrte ihre Arme hinter ihren Rücken und legte ihr Handschellen an. Es war eine schmerzhafte Haltung, aber Mutter schrie nicht. Dann befahl er seinen Helfern, das Haus zu durchsuchen. Die ganze Zeit stand Hong in einer Ecke und sagte nichts.
    Sie machten unser Haus zu Kleinholz. Sie zerfetzten die schönen Gemälde mit Messern, sie zerbrachen die Schallplatten. Als sie die Bücher von Jefferson und Payne fanden, schrien sie triumphierend. Der Anführer warf die Bücher vor Mutter zu Boden. »Englische Bücher!« brüllte er. »Wer sind diese amerikanischen Denker, die du verehrst?!«
    »Sie waren wahre Revolutionäre«, antwortete sie. »Sie sollten von ihnen lernen.«
    Der Anführer spuckte sie an und stapelte die Bücher. Dann entzündete er ein Streichholz und versuchte, die Bücher anzuzünden, aber er wußte nicht, was er tat, und konnte sie nicht in Flammen setzen. Er wurde so wütend, daß er die Bücher aufnahm und Mutter an den Kopf warf, sie damit verletzte. Die ganze Zeit wurde ich festgehalten und weinte und weinte… Und Hong stand stumm in der Ecke.
    Die Roten Garden blieben stundenlang. Die Sonne ging auf, als sie endlich verschwanden.
    »Wir kommen wieder«, warnte der Anführer. »Damit Sie den Leuten ins Gesicht sehen und Ihre Lügen erzählen können!«
    Er nahm Mutter die Handschellen ab und stürmte aus dem Haus. Ich ging zu Mutter und umarmte sie. Sie zitterte vor Schmerz und Wut, aber sie stand auf, und wir gingen durch das Haus. Alles war zerstört. Selbst unsere Betten war zerfetzt, so daß wir unsere Decken auf den Boden legten und versuchten zu schlafen. Ich konnte nicht schlafen, denn wenn ich die Augen schloß, sah ich sie Mutter schlagen.
    Ein paar Stunden später kamen sie zurück. Sie legten Mutter wieder Handschellen an und befahlen uns, ihnen zu folgen. Sie brachten uns in das Gebäude, in dem Vaters Büro gewesen war. In ein großes Zimmer voller Leute. Poster, die Mutter denunzierten, hingen an den Wänden. »Amerikanische Spionin!« – »Kuomintang-Schlange!« – »Hinterhältige Klassenfeindin!« Sie setzten uns in die erste Reihe und zerrten Mutter auf eine Bühne. Sie hängten ihr ein Schild um den Hals. »Tod den amerikanischen Spionen!« stand darauf. Die Zuschauer beschimpften sie, aber Mutter ließ den Kopf nicht hängen. Sie starrte die Leute an, von denen einige ihre und Vaters Freunde gewesen waren. Einmal stieß der junge Mann von der vorigen Nacht ihren Kopf hinunter, damit sie beschämt aussah, aber sie hob ihn wieder.
    »Was hast du zu sagen?« fragte ein älterer Mann sie.
    »Ich habe einem Mob nichts zu sagen«, erwiderte sie.
    »Dann wirst du vor das Komitee der Revolutionären Gerechtigkeit geführt«, sagte der Mann.
    Ein paar Männer packten Mutter und führten sie durch die Menge. Die Leute schlugen sie und spuckten nach ihr. Nach einer endlosen Stunde kam ein Rotgardist und holte Hong und mich und führte uns in den vierten

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