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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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die Pekinger Roten Garden die Regierung zu stürzen, und die Armee griff ein.
    Bald geschah in Szechuan dasselbe, und die Soldaten kämpften blutige Kämpfe gegen die Roten Garden, vor allem in Chengdu. Die Kämpfe dauerten Wochen, und schließlich besetzten die Roten Garden ein Fabrikgebäude im Norden der Stadt. Die Armee brauchte drei Tage, um es einzunehmen.
    Die Roten Garden waren zerschlagen, und so viele junge Leute liefen durch die Straßen! Die Schulen waren noch geschlossen, Familien getrennt. Die Polizei und die Armee griffen tausende der Jugendlichen auf. Die Regierung entschied, die Stadtjugend aufs Land zu schicken, »damit sie von den Arbeitern lernt«. Auch ich wurde verhaftet. Als ich identifiziert war, wurde ich in den äußersten Südwesten der Provinz geschickt, hoch in die Berge. Es war kein wirkliches Dorf, nur ein paar Hütten am Fuße eines großen Berges, und die Leute dort waren nicht einmal Chinesen. Sie waren vom Stamm Yi, primitive Menschen, die ein bißchen Tee anbauten und ein bißchen Gemüse, und in den Bergen jagten. Bloß ihr Häuptling sprach etwas Chinesisch, und er befahl mir, in der Hütte seines Cousins zu leben. Ich war wie eine Sklavin. Sie ließen mich hart arbeiten, und die Frau des Cousins haßte mich, weil sie annahm, daß ihr Mann… mich wollte.
    Ich war betäubt vor Hunger, harter Arbeit und der Kälte, aber vielleicht war das gut für mich, denn es dämpfte auch meine Trauer. Und die Berge waren wundervoll. Wenn ich auf dem Gemüsefeld arbeitete, konnte ich einen verschneiten Gipfel auf der Augenbraue des Seidenspinners sehen – Emei Shan – ein heiliger Berg für Taoisten und Buddhisten. Das ist Teil meiner Geschichte, ich rannte weg und floh zu diesem Berg.
    Eines Nachts kam der Mann an mein kang, er war dreckig und betrunken und versuchte, sich an mich zu pressen. Ich wehrte mich, und die Frau hörte den Lärm. Sie kam und schlug mich. Später in jener Nacht wickelte ich meine paar Sachen in ein Stück Stoff und floh den Berg hinauf. Ich hatte große Angst, denn ich hatte von den vielen wilden Tieren dort gehört – Tiger, Schlangen, große Affen, sogar Pandas.
    Ich folgte dem Pfad der buddhistischen Pilger bis zum Gipfel des Berges. Seit tausend Jahren steigen Buddhisten… Pilger… zum Gipfel des Berges, um in Buddhas Spiegel zu sehen.
    Vom Gipfel des Berges kann man in einen Abgrund sehen, Tausende von Metern tief, voller Nebel. Magisches Licht scheint in diesen Nebel und macht einen Spiegel aus ihm. Wenn man hinunterschaut, sieht man Buddhas Spiegel, und man sieht sein wahres Selbst. Man sieht seine Seele.
    Das wird »Erleuchtung« genannt, was das Ziel aller Buddhisten ist. Deswegen ist der Berg heilig, und viele Pilger steigen zu Buddhas Spiegel, um erleuchtet zu werden. Der Aufstieg dauert mindestens drei Tage, und die Pilger schlafen in Klöstern am Wegesrand.
    Viele Klöster sind tief im Wald versteckt, weit weg von der Steintreppe, und ich dachte, ich könnte auf dem Weg bleiben, bis es hell würde, und dann ein sehr abgelegenes Kloster finden und mich dort verstecken. Als gute Kommunistin glaubte ich nicht an Gott, aber ich hoffte, unter den Mönchen und Nonnen Zuflucht zu finden.
    Doch ich verlief mich. Es war dunkel, und der Pfad schien unter meinen Füßen zu verschwinden. Um mich herum war dichtes Bambusdickicht, und ich hörte die Laute der wilden Tiere. Und es war so kalt! Es schneite jetzt! Ich fror in meinen dünnen Kleidern. Ich setzte mich auf eine kleine Lichtung und umarmte mich. Ich wiegte mich vor und zurück und weinte. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Ich saß einfach da, um zu sterben! Dann geschah ein Wunder. Ein Licht erschien im Wald! Eine Laterne! Ich ging darauf zu und sah, daß das Licht in einer kleinen Höhle brannte, und in der Höhle saß ein Mann, ein Mönch vor einer kleinen alten Statue einer schönen Frau, Kuan Yin, die Göttin der Gnade – eines der vielen Gesichter Buddhas. Der Mönch wickelte mich in eine Decke. Er machte ein kleines Feuer, und es war immer noch kalt, aber nicht zum Sterben kalt, und ich konnte schlafen. Als ich aufwachte, war es Morgen, und der Mönch sagte, es sei Zeit zu gehen. Ich folgte ihm den Berg hinauf für viele li, meine Füße schmerzten, meine Beine taten weh, aber ich war glücklich. In Kuan Yin hatte ich das schöne Gesicht meiner Mutter gesehen, die mich in Sicherheit führte, und jetzt glaubte ich an Gott.
    Wir stiegen und stiegen! Wir sahen so viel: Wildwasser, Abgründe,

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