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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ein Stern, der verblasste, sobald man den Blick direkt darauf richtete, verflüchtigte sich ihre Erinnerung im entscheidenden Moment und hinterließ nichts als ein dunkles Loch.
    »Liebste Freundin«, meinte Hingis, als die Wand hinter ihnen näher rückte, »jetzt wäre der richtige Augenblick ...«
    Sarah schloss die Augen und versuchte es abermals - mit demselben niederschmetternden Ergebnis. In welche Richtung waren Polyphemos und sie damals zuerst gegangen, nach links oder nach rechts?
    Sie wusste es nicht mehr.
    Ihre Ziehmutter war vor ihren Augen getötet worden, Krieger des Ordens waren ihnen auf den Fersen gewesen und hatten sie mit Pfeilen beschossen. Vielleicht wollte sich ihr Bewusstsein auch nicht mehr erinnern. Die Wand kam unaufhaltsam näher ...
    »Sarah«, mahnte Hingis.
    »Los doch«, drängte Abramowitsch.
    Sarah wischte den Schweiß ab, der ihr trotz der Kälte auf die Stirn getreten war. Wie sollte sie sich entscheiden? Schon war die Kammer nur noch ein Yard breit, ihre Gefährten und sie standen dicht gedrängt ...
    Sarah atmete tief durch. Sein Glück auf einer der beiden Seiten zu suchen, war immer noch besser, als zerquetscht zu werden.
    Sein Glück, sagte eine Stimme in ihrem Kopf, die ebenso gut Gardiner Kincaid wie el-Hakim gehören konnte, oder seine Bestimmung ...
    Ihr Bauchgefühl riet ihr zur rechten Seite, ihr Verstand, um Ausgleich bemüht, zur linken.
    »Sarah!«
    Nur noch eineinhalb Ellen - die Zeit wurde knapp.
    »Jetzt!«, brüllte Abramowitsch und wollte nach links - aber Sarah packte ihn, riss ihn zurück und zerrte ihn nach der anderen Seite. Hingis kam hinterher.
    Mit knapper Not entronnen sie dem Spalt, der sich lautlos hinter ihnen schloss, und fanden sich in einer weiteren Kammer wieder, die sich in nichts von den vorangegangenen unterschied.
    »Und jetzt?«, fragte Hingis in die Stille.
    »Aus«, meinte Abramowitsch überzeugt. »Es war die falsche Entscheidung.«
    Wie um seine Befürchtungen zu bestätigen, war ein scharrendes Geräusch zu hören, und Sarah erwartete schon, dass sich eine der umgebenden Wände nähern und ihrem Dasein ein zynisches Ende setzen würde. Aber das war nicht der Fall.
    Stattdessen hob sich die vor ihnen liegende Wand wie von Geisterhand, und blau schimmerndes Licht flutete in die Kammer. Dahinter lag ein Stollen mit Wänden aus Felsgestein.
    Sie hatten es geschafft!
    Es gab keinen lauten Jubel, kein ausgelassenes Geschrei, zumal sie annehmen mussten, dass sie sich auf feindlichem Territorium befanden. Aber Friedrich Hingis schenkte Sarah ein frohes Lächeln und wischte sich kurz über die Stirn, und sogar Abramowitsch ließ sich zu einem dankbaren Nicken herab. Sarah selbst empfand vor allem Erleichterung - auch wenn sie wusste, dass die wirkliche Herausforderung noch vor ihnen lag.
    Sie griff an den Gürtel und zückte den Colt Frontier, dann trat sie hinaus auf den Gang, dessen Bauweise der des geheimen Stollens ähnelte. Anders als dort gab es hier jedoch oval geformte Schächte, die in regelmäßigen Abständen in die Decke eingelassen waren und für ein unwirklich anmutendes Licht sorgten. Sarah nahm an, dass ihr oberes Ende von Eis überzogen war und das Sonnenlicht auf diese Weise filterte. Die Wände des Korridors waren mit Zeichnungen versehen: geometrischen Symbolen wie denen, die sie im Tempel der Skythen gesehen hatten. Diese allerdings wirkten nicht wie von ungelenker Hand nachgeahmt, sondern schienen von jenen zu stammen, die die Bedeutung dieser Zeichen gekannt und genutzt hatten.
    Sarah und Hingis wechselten einen Blick. Die Situation war zu angespannt, als dass sie sich in fachlichen Diskursen hätten ergehen wollen. Aber es war offenkundig, dass sie auf eine archäologische Sensation ersten Ranges gestoßen waren, gegen die sich der Schatz des Priamos wie wertloser Trödel ausnahm. Danach also, dachte Sarah, hatte Gardiner Kincaid sein Leben lang gesucht. Er war den Spuren der Arimaspen gefolgt und hatte die Mythen gedeutet. Doch als er kurz davor gewesen war, das Geheimnis zu enträtseln, war er einem kleinen Mädchen begegnet, das sein Leben von einem Augenblick zum anderen geprägt und verändert hatte ...
    Sie löschte ihre Fackel und ging ein Stück den Gang hinab, trat unter einen Schaft aus blauem Licht. Hingis und Abramowitsch folgten ihr.
    »Ein Auge«, kommentierte der Schweizer, als er zu der ovalen Öffnung emporblickte.
    Sarah nickte. Die Analogie war ihr entgangen, aber natürlich hatte ihr gelehrter Freund

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