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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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auf den Boden und legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. Sie war sicher, dass der Weise es zur Kenntnis nahm, aber er reagierte nicht darauf.
    »Was ist passiert?«, wollte Hingis von Ufuk wissen.
    »Ich weiß es nicht.« Der Junge schüttelte den Kopf. »Wir waren vorn am Bug wie jeden Abend, um das Yatsi 18 zu halten. Als wir zurückkehrten, fanden wir unsere Kabine verwüstet.«
    »Wie jeden Abend«, folgerte Sarah. »Jemand wusste also, dass ihr die Kabine verlassen würdet, und hat nur darauf gewartet.«
    »Aber wer?«, fragte Ufuk verständnislos. »Wer hat etwas davon, das Hab und Gut von Meister Ammon zu zerstören?«
    »Wer immer hier gewesen ist«, antwortete Sarah, während sie mit der Hand durch Scherben und Fetzen fuhr, »war nicht in erster Linie darauf aus zu zerstören. Das ist nur, was wir glauben sollen.«
    »Evet?«, fragte der Junge. »Und was war der wirkliche Zweck von alldem hier?«
    »Wissen. Die Suche nach Wissen.«
    Nicht Sarah hatte geantwortet, sondern der alte Ammon, der allmählich aus seiner Trauer zurückzufinden schien. Tränen rannen über seine faltige Haut, als wäre sie von Sprüngen durchzogen. Seine blinden Augen jedoch schienen die Wahrheit zu sehen.
    »Ammon el-Hakim besitzt keine Reichtümer«, fuhr der Alte tonlos fort. »Die Schätze, die er hütet, sind anderer Natur. Auf sie hatte der Eindringling es abgesehen.«
    »Das denke ich auch«, stimmte Sarah zu. »Und als er nicht fand, was er suchte, hat er die Kajüte verwüstet.«
    »Und wonach genau hat er gesucht?«, fragte Hingis.
    »Ich denke, er wollte herausfinden, welchem genauen Zweck unsere Reise dient und welche Rolle el-Hakim dabei innehat«, vermutete Sarah. »Offenbar misstraut man unseren Angaben. Man hat uns während unseres Aufenthalts an Bord nachspioniert, ist dabei jedoch zu keinem Ergebnis gekommen. Da unsere Reise morgen endet, hat man zur letzten Maßnahme gegriffen und die Kabine von el-Hakim durchsucht.«
    »Falls unsere Reise morgen endet«, wandte Ufuk unheilvoll ein.
    »Würde man uns nach dem Leben trachten, so wären wir schon längst nicht mehr an Bord«, wandte Sarah ein.
    »Dennoch müssen wir vorsichtig sein«, bekräftigte Ammon. »Feinde sind in der Nähe. Ich fühle Verrat.«
    Sarah merkte, wie sich etwas in ihr verkrampfte. Auch damals in Kairo hatte der Weise Verrat prophezeit - und damit recht behalten. Vielleicht, sagte sie sich, hätte sie ihm doch erzählen sollen, was sie in Varna beobachtet hatte ...
    Sie vermied es, in Hingis' Richtung zu blicken. Der Schweizer stand noch immer in der Tür und war sichtlich unangenehm berührt. »Vielleicht hat Viktor nichts von alldem gewusst«, mutmaßte er hilflos, aber es klang weniger nach einer ernsthaften Vermutung als vielmehr nach einer Ausrede.
    Sarah erwiderte nichts darauf. Zusammen mit Ufuk ging sie daran, die Bruchstücke dessen aufzusammeln, was noch vom Besitz des alten Ammon übrig war. Sie las die Scherben einiger Tontafeln auf und sortierte die Fetzen eines in arabischer Schrift gehaltenen Pergaments. Sie war sicher, dass, wer immer die Kabine durchsucht hatte, weder des Arabischen mächtig war noch die sumerische Keilschrift beherrschte, was ihn jedoch nicht von seinem Zerstörungswerk abgehalten hatte. Genau diese Mischung aus Ignoranz und brachialer Gewalt war es, die sie wütend machte, denn ihr war auch Kincaid Manor mit all seinen Wissensschätzen zum Opfer gefallen, und Sarah brauchte nur in Ammons Augen zu schauen, um zu wissen, dass er genau dasselbe verloren hatte wie sie.
    Es war nicht nur der materielle Verlust, der ihn quälte, sondern vor allem die Gewissheit, dass nichts von dem, was er über all die Jahre aufbewahrt und wie seinen Augapfel gehütet hatte, der Nachwelt erhalten bleiben würde. Da waren die Dinge, die er in seinem Haus in Stambul zurückgelassen hatte, gewiss, aber nichts davon schien dem Alten auch nur annähernd so viel bedeutet zu haben wie die Bücher und Gegenstände, die er auf die Reise mitgenommen hatte.
    »Es tut mir leid, Meister«, versicherte sie.
    »Das muss es nicht«, wehrte er ab und versuchte ein Lächeln, das ihm allerdings nicht gelingen wollte. »Dies ist die letzte Reise, die ich in meinem Leben antrete. Mich von meinem weltlichen Besitz zu trennen gehört wohl dazu. Ich habe es nur nicht so früh erwartet.«
    »Was ist das?«, fragte Ufuk plötzlich, der in einer Ecke der Kammer die losen Seiten eines zerfetzten Buchs auflas.
    »Hast du etwas gefunden?«, wollte Sarah

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