Das Liebesleben der Hyäne
Einer bestand darin, jeden Tag drei- oder viermal in ein dampfend heißes Bad zu steigen. Die alte Wassertherapie.
Sara hatte eine von diesen alten Badewannen. Es ging mehr Wasser rein als in meine, und das Wasser war hier auch heißer. Ich war knapp über einsachtzig, aber in dieser Wanne konnte ich mich bequem ausstrecken. Früher hatten sie noch Badewannen für Kaiser gemacht, und nicht für schmalbrüstige Bankangestellte von einsdreiundfünfzig.
Ich stieg rein und streckte mich aus. Großartig. Dann stand ich auf und sah auf meinen armen wundgescheuerten Schwanz herunter. Ein hartes Brot, alter Freund, aber vielleicht immer noch besser als gar nichts, wie? Ich setzte mich wieder ins Wasser und streckte mich aus.
Draußen hörte ich das Telefon. Sara nahm ab, und nach eine Weile kam sie an die Tür des Badezimmers und klopfte.
»Herein.«
»Hank, es ist Debra.«
»Debra? Woher weiß sie, daß ich hier bin?«
»Sie hat überall rumtelefoniert. Soll ich ihr sagen, daß sie später nochmal anrufen soll?«
»Nein. Sag ihr, ich komm gleich.«
Ich wickelte mir ein großes Badetuch um den Bauch und ging nach vorn ins Wohnzimmer. Sara unterhielt sich mit Debra am Telefon. »Ah, da kommt er jetzt …« Sie gab mir den Hörer in die Hand.
»Hallo, Debra?«
»Hank, wo bist du gewesen?«
»In der Badewanne.«
»In der Badewanne?«
»Ja.«
»Du kommst gerade raus?«
»Ja.«
»Was hast du an?«
»Ich hab ein Handtuch um den Bauch.«
»Wie kannst du dir ein Handtuch um den Bauch halten und gleichzeitig telefonieren?«
»Na, ich tu’s jedenfalls.«
»Ist was gewesen?«
»Nein.«
»Warum?«
»Warum was?«
»Ich meine, warum hast du sie nicht gefickt?«
»Sag mal, glaubst du vielleicht, ich hab nichts anderes im Kopf? Meinst du, mehr ist an mir nicht dran?«
»Dann ist also nichts gewesen?«
»Ja.«
»Was?«
»Ja, nichts.«
»Wo gehst du anschließend hin?«
»Zu mir.«
»Komm zu mir.«
»Was ist mit deinen Gerichtsprotokollen?«
»Wir sind fast auf dem laufenden. Tessie wird auch allein damit fertig.«
»Na gut, dann bin ich in einer dreiviertel Stunde da.«
Ich legte auf.
»Was hast du vor?« fragte Sara.
»Ich fahre zu Debra. Ich hab ihr gesagt, ich bin in 45 Minuten da.«
»Aber ich dachte, wir würden zusammen zum Lunch gehen. Ich weiß da so ein mexikanisches Lokal.«
»Hör mal, sie macht sich Sorgen. Wie können wir da beim Lunch sitzen und einen kleinen Plausch halten?«
»Ich hab mich aber auf einen Lunch mit dir eingestellt.«
»Und wann willst du deine Kunden abfüttern?«
»Ich mach erst um elf auf. Jetzt ist es zehn.«
»Na schön, dann gehn wir eben essen …«
Das mexikanische Lokal lag in Hermosa Beach, in einer Gegend, die von reichen affektierten Hippies bevölkert wurde. Überall fade nichtssagende Typen. Tod am Strand. Einfach abschalten, inhalieren, Sandalen tragen und so tun, als sei alles bestens auf der Welt.
Während wir auf unser Essen warteten, tunkte Sara ihren Finger in eine Schale Chilisoße und leckte ihn ab. Dann tunkte sie ihn wieder rein. Sie beugte sich über die Schale, und ihre Haare kitzelten mich an der Nase. Immer wieder tunkte sie den Finger rein und leckte ihn ab.
»Hör mal«, sagte ich, »von der Soße wollen auch andere noch was haben. Mir wird schlecht, wenn ich das sehe. Hör auf damit.«
»Ach was«, sagte sie, »die füllen das jedesmal wieder auf.«
Ich konnte nur hoffen, daß sie das wirklich taten. Dann kam unser Essen, und Sara machte sich wie ein wildes Tier darüber her, genau wie es Lydia immer getan hatte. Nach dem Lunch stiegen wir in ihren VW-Bus und fuhren zu ihrem vegetarischen Restaurant. Dort setzte ich mich in meinen VW und machte mich auf den Weg nach Playa del Rey. Sara hatte mir den Weg genau erklärt. Ich brachte einiges durcheinander, kam aber trotzdem ohne Schwierigkeiten hin. Das war fast eine Enttäuschung. Wenn Streß und Wahnsinn aus meinem Alltag verschwanden, schien kaum noch etwas übrig zu sein, worauf man sich verlassen konnte.
Ich fuhr in Debras Vorgarten hinein. Ich sah, wie sich der Fenstervorhang bewegte. Sie hatte nach mir Ausschau gehalten. Ich stieg aus dem Auto und vergewisserte mich, daß beide Türen verriegelt waren, denn meine Versicherung war abgelaufen.
Ich ging an die Haustür und drückte auf die Klingel.
»Bing-bong«. Debra machte mir auf. Sie schien erfreut, mich zu sehen. Das war schon recht, nur waren es eben solche Dinge, die einen als Schriftsteller davon abhielten, seine
Weitere Kostenlose Bücher