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Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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jeder Amerikaner würdest du Feiertage nicht gern allein verbringen. Du hast mich geküßt, und dann hast du mich gefragt, ob wir das Erntedankfest nicht gemeinsam feiern könnten …«
    »Das tut mir wirklich leid. Ich kann mich nicht mehr dran erinnern …«
    »Schon gut. Bleib dran … ich hab wieder Kundschaft …«
    Ich legte den Hörer hin, ging in die Küche und holte mir ein Glas Wein. Als ich zurück ins Schlafzimmer ging, sah ich im Spiegel meinen Hängebauch. Er war häßlich. Obszön. Wie konnten Frauen so etwas wie mich ertragen?
    Ich trank einen Schluck aus dem Glas und hielt mir mit der anderen Hand den Hörer ans Ohr. Nach einer Weile meldete sich Sara wieder: »All right. Red weiter.«
    »Also, es ist so: Die Bauchtänzerin hat mich gestern abend angerufen. Sie ist eigentlich gar keine Bauchtänzerin, sie ist Kellnerin. Sie hat gesagt, sie kommt mich in L. A. besuchen. Am Erntedankfest. Und es klang so, als würde sie sich sehr darauf freuen …«
    »Du hättest ihr sagen sollen, daß du schon eine Verabredung hast.«
    »Ich wollte ja, aber …«
    »Du hattest nicht den Mut dazu.«
    »… Iris hat so eine sagenhafte Figur.«
    »Es geht im Leben auch noch um was anderes als um sagenhafte Figuren.«
    »Jedenfalls, jetzt muß ich Debra beibringen, daß es bei mir nicht geht am Erntedankfest. Und ich weiß nicht, wie.«
    »Wo bist du jetzt?«
    »In ihrem Bett.«
    »Und wo ist Debra?«
    »Sie arbeitet.« Ich konnte einen Seufzer nicht unterdrükken.
    »Du bist nichts als ein dummes weinerliches Wickelkind.«
    »Ich weiß. Aber ich muß es ihr sagen. Es macht mich wahnsinnig.«
    »Du hast dir die Suppe selber eingebrockt. Jetzt mußt du sie auch selber auslöffeln.«
    »Ich dachte, du würdest mir helfen. Ich dachte, du sagst mir vielleicht, was ich machen soll.«
    »Soll ich dir auch noch die Windeln wechseln? Soll ich sie vielleicht für dich anrufen?«
    »Nein, schon gut. Ich bin kein Waschlappen. Ich ruf sie selber an. Ich ruf sie jetzt sofort an und sag ihr die Wahrheit. Ich bring die verfluchte Sache hinter mich!«
    »Gut so. Gib mir dann Bescheid, wie es gelaufen ist.«
    »Es liegt an meiner Kindheit, verstehst du. Ich hab nie sowas wie Liebe …«
    »Ruf mich dann wieder an.«
    Sie legte auf.
    Ich holte mir noch ein Glas Wein. Ich verstand nicht mehr, was mit meinem Leben passiert war. Ich hatte meine Sicherheit verloren, meine Überlegenheit, meine schützende Schale. Ich hatte mir Gedanken um andere und ihre Probleme gemacht und dabei meinen schnodderigen Humor verloren. Ich wollte alles wiederhaben. Ich wollte wieder ein leichtes Leben haben. Aber irgendwie spürte ich, daß es nicht wiederkommen würde. Jedenfalls nicht so schnell. Ich würde nicht darum herumkommen, mich schuldig und hilflos zu fühlen.
    Ich versuchte mir einzureden, daß Schuldgefühle so etwas wie eine Krankheit seien. Daß nur Männer, die keinerlei Schuldgefühle kannten, im Leben vorankamen. Männer mit der Fähigkeit zu lügen, zu betrügen, jeden Vorteil zu nutzen. Cortez. Der murkste nicht lange rum. Oder Vince Lombardi. Doch soviel ich mir auch überlegte, mir wurde davon nicht besser. Ich beschloß, es hinter mich zu bringen. Ich war bereit zur Beichte. Ich würde wieder ein guter Katholik sein. Rein in den Beichtstuhl, raus damit, und dann auf Vergebung warten. Oder auf die Strafe.
    Ich trank mein Glas aus und rief in Debras Büro an. Tessie meldete sich.
    »Hi, Baby! Hier ist Hank! Wie geht’s?«
    »Ganz gut, Hank. Und wie sieht’s bei dir aus?«
    »Alles in Butter. Sag mal, du bist doch nicht sauer auf mich, oder?«
    »Nein, Hank. Es war zwar ein bißchen vulgär, hahaha, aber Spaß hat es trotzdem gemacht. Jedenfalls, das bleibt unter uns.«
    »Danke. Weißt du, ich bin wirklich nicht …«
    »Ich weiß.«
    »Tja also, paß auf, ich wollte eigentlich Debra sprechen. Ist sie da?«
    »Nein, sie hat im Gericht zu tun.«
    »Wann kommt sie wieder?«
    »Wenn sie im Gericht zu tun hat, kommt sie hinterher meistens nicht mehr ins Büro. Aber falls sie doch kommt – soll ich ihr was ausrichten?«
    »Nein, Tessie, vielen Dank.«
    Das hatte mir gerade noch gefehlt. Da hatte ich meine Beichte auf der Zunge und konnte sie nicht einmal loswerden. Man blockierte mich. Ich kam nicht durch. Ich hatte Feinde. Unsichtbare. Höheren Orts.
    Ich trank noch einen Wein. Ich war soweit gewesen, mein Gewissen zu erleichtern und alles darauf ankommen zu lassen. Jetzt mußte ich darauf sitzenbleiben. Ich fühlte mich immer miserabler.

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