Das Liebesleben der Hyäne
alles. Unbeschreiblich. Es war, als hätte die Natur einigen wenigen Frauen sämtliche Reize gegeben, und für den Rest blieb nichts mehr übrig.
Das Gebäude verdeckte mir jetzt die Sicht. Ich stieg aus, ging nach vorn zur Ecke und sah ihr nach. Sie blieb stehen und sah über die Schulter zu mir nach hinten. Es war mir peinlich. Ich ging rein in die Wäscherei. Als ich mit meinen Sachen herauskam, stand sie neben dem VW. Ich machte die Beifahrertür auf und verstaute das Paket auf dem Rücksitz. Dann ging ich außen herum, auf die Fahrerseite. Sie stand jetzt vor mir. Etwa 27. Ein rundliches Gesicht, in dem sich nichts regte. Wir standen sehr dicht beieinander.
»Ich hab gemerkt, daß Sie mir nachsehen. Warum haben Sie mir nachgesehen?«
»Entschuldigung. Es war nicht so gemeint.«
»Ich will wissen, warum Sie mir nachgesehen haben. Sie haben mich richtig angestarrt.«
»Schauen Sie«, sagte ich, »Sie sind eine schöne Frau. Sie haben eine tolle Figur. Ich sah Sie vorbeigehen, und da mußte ich eben unwillkürlich hinsehen.«
»Wollen Sie vielleicht ’ne Verabredung für heute abend?«
»Tja, das wär nicht schlecht. Aber ich hab schon eine. Ich hab schon was am Laufen.«
Ich machte die Fahrertür auf und stieg ein. Sie drehte sich um und ging weg. Ich hörte noch, wie sie sagte:
»Blödes Honky-Arschloch.«
Zu Hause sah ich die Post durch. Nichts. Ich mußte endlich wieder eine klare Linie finden. Etwas Entscheidendes fehlte. Ich sah in den Kühlschrank. Nichts. Ich ging nach draußen, setzte mich in den VW und fuhr zum »Blue Elephant«, einem Getränkeladen. Dort erstand ich einen halben Liter Smirnoff und einige 7-Up. Auf der Rückfahrt fiel mir ein, daß ich Zigaretten vergessen hatte. Ich fuhr auf der Western Avenue nach Süden, bog links in den Hollywood Boulevard ein, dann rechts in die Serrano. Ecke Serrano und Sunset sah ich wieder eine junge Schwarze stehen, ziemlich hellhäutig, in schwarzen Stöckelschuhen und einem Minirock, unter dem man einen Hauch von blauem Slip erkennen konnte. Ich bremste ab.
Sie setzte sich in Bewegung. Ich fuhr langsam neben ihr her. Sie ließ sich nichts anmerken.
»Hey, Baby.«
Sie blieb stehen, und ich fuhr rechts ran. Sie kam zu mir her.
»Wie läuft’s so?« fragte ich.
»Ganz gut.«
»Lockvogel von der Sitte, hm?«
»Was soll das heißen?«
»Ich meine, wer sagt mir, daß du nicht von den Bullen bist?«
»Wer sagt mir, daß du nicht ein Bulle bist?«
»Sieh dir mein Gesicht an. Seh ich wie ein Bulle aus?«
»All right«, sagte sie, »fahr um die Ecke und such dir ‘ne Parklücke. Ich komm dann nach.«
Ich fuhr um die Ecke und hielt vor »Mr. Famous N. J. Sandwiches«. Nach einer Weile machte sie den Schlag auf und stieg zu mir ins Auto.
»Was willst du?« fragte sie. Sie war Mitte Dreißig, und aus ihrem lächelnden Mund blinkte mich ein massiver Goldzahn an. Die würde nie ganz pleite gehen.
»Abkauen.«
»Zwanzig Dollar.«
»Okay. Wohin?«
»Fahr die Western rauf bis zur Franklin, dann links bis zur Harvard und wieder rechts.«
Als wir von der Harvard um die Ecke bogen, konnte man nirgends parken. Schließlich ließ ich die Karre im Halteverbot stehen und wir stiegen aus.
»Komm mit«, sagte sie.
Wir betraten ein heruntergekommenes Apartment-Hochhaus. Kurz vor dem Fahrstuhl schwenkte sie nach rechts, und ich ging hinter ihr eine betonierte Treppe hinauf. Ich starrte auf ihren Hintern. Merkwürdig, daß jeder Mensch einen Hintern hatte. Es war beinahe traurig. Aber auf ihren Hintern hatte ich es ja nicht abgesehen. Es ging jetzt einen Flur entlang, dann weitere Betonstufen hoch. Offenbar benutzten wir einen Fluchtweg, der für den Brandfall gedacht war. Ich hatte keine Ahnung, warum sie sich gegen den Aufzug entschieden hatte. Aber Treppensteigen war ja auch besser für mich – wenn ich im hohen Alter noch dicke Romane schreiben wollte, wie Knut Hamsun.
Endlich standen wir vor ihrem Apartment, und sie zückte ihren Schlüssel. Ich hielt ihr die Hand fest.
»Augenblick mal«, sagte ich.
»Was ist denn?«
»Hast du da drin zwei große schwarze Typen, die mir eins überbraten und mich ausmisten?«
»Da ist niemand drin. Ich wohne mit einer Freundin zusammen, aber die ist nicht zu Hause. Sie arbeitet im Broadway Department Store.«
»Gib mir den Schlüssel.«
Ich schloß auf, drehte langsam den Türknauf und gab der Tür einen Tritt, daß sie weit aufflog. Ich sah hinein. Ich hatte mein Schnappmesser einstecken, doch ich mußte nicht
Weitere Kostenlose Bücher