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Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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geschrieben und verlangte nach gründlicher Überarbeitung. Glendoline ging davon aus, der Leser müsse von ihrem Leben so fasziniert sein wie sie. Das war ein schwerer Fehler. Was sie sonst noch an schweren Fehlern drin hatte, war zu zahlreich, um es hier zu erwähnen.
    Ich ging zum Bach und kam mit drei Flaschen Bier zurück. Die Girls lehnten dankend ab. Sie hatten eine ausgesprochene Abneigung gegen Bier. Wir unterhielten uns über Glendolines Roman. Ich sagte mir, daß jeder verdächtig war, der unbedingt laut aus seinem Roman vorlesen mußte. Ich meine, wenn das nicht der sprichwörtliche Kuß des Todes war – was dann?
    Die Girls wechselten jetzt das Thema und redeten von Männern, Parties, Tanzen und Sex. Glendoline hatte eine hohe aufgeregte Stimme und ein nervöses Lachen. Sie lachte ständig. Sie war Mitte Vierzig, ziemlich fett und sehr verschlampt. Ansonsten war sie schlicht und einfach häßlich. Genau wie ich.
    Glendoline redete eine geschlagene Stunde lang, immer nur von Sex. Ich war schon ganz benommen davon. Sie fuchtelte mit den Armen und rief: »Ich bin das wilde Weib aus den Bergen! Wo ist der Mann, wo ist der ganze Kerl, der den Mut hat, mich zu nehmen?!«
    Na hier ist er ganz bestimmt nicht, dachte ich.
    Ich sah Lydia an. »Komm, wir machen einen Spaziergang.«
    »Nein«, sagte sie, »ich will dieses Buch hier lesen.« Es nannte sich ›Liebe und Orgasmus: Ein revolutionärer Führer zur sexuellen Erfüllung‹.
    »Na schön«, sagte ich. »Geh ich eben allein.«
    Ich ging rüber zum Bergbach, griff mir ein Bier, machte es auf, saß da und trank. Tja, da steckte ich nun fest, mitten im Gebirge, mit zwei verrückten Weibern. Sie vergällten einem den ganzen Spaß am Ficken, weil sie ständig darüber redeten. Ich hatte für Ficken einiges übrig, aber man mußte ja nicht gleich eine Religion daraus machen. Es hatte schließlich auch seine lächerlichen und tragischen Seiten. Die Menschen schienen einfach nicht zu wissen, wie sie damit fertig werden sollten. Deshalb machten sie ein Spielzeug daraus. Ein Spielzeug, mit dem sie einander kaputt machten.
    Das Entscheidende war, die richtige Frau zu finden. Aber wie? Ich nahm mein rotes Notizbuch heraus und kritzelte ein besinnliches Gedicht hinein. Dann ging ich am Bach entlang zum See. »Vance Pastures« nannte sich die Gegend. Gehörte fast alles den Schwestern.
    Ich mußte mal dringend scheißen. Ich zog meine Hose aus und hockte mich ins Gebüsch, umschwirrt von Fliegen und Schnaken. Ich mußte mir den Hintern mit einer Handvoll Blätter abwischen. Mein Gott, dachte ich, wär ich doch bloß wieder in der Stadt.
    Ich ging an den See und hielt einen Fuß ins Wasser. Es war eiskalt.
    Sei ein Mann, Alter. Geh rein.
    Meine Haut war weiß wie Elfenbein. Ich fühlte mich sehr alt, sehr verweichlicht. Ich watete in das eisige Wasser. Es ging mir bis zum Bauch. Ich holte tief Luft und machte einen entschlossenen Schritt nach vorn. Jetzt war ich ganz drin. Der Schlamm wirbelte auf, an mir hoch, drang mir in die Ohren, in den Mund, in die Haare. Ich wartete geraume Zeit, bis sich der Schlamm wieder gelegt hatte. Dann watete ich zurück ans Ufer, zog meine Sachen an und ging außen um den See herum. Am anderen Ende hörte ich ein Geräusch wie von einem Wasserfall. Ich ging zwischen Bäumen hindurch, arbeitete mich den Berghang hoch, überwand einige Felsblöcke und tief eingeschnittene Schmelzwasser-Rinnen. Das Geräusch kam näher und näher. Schwärme von Fliegen und Schnaken verfolgten mich. Die Fliegen waren groß, viel größer als Fliegen in der Stadt, und ihrem wütenden Summen hörte man an, daß sie einen mörderischen Hunger hatten. Sie erkannten ein gutes Stück Aas auf Anhieb.
    Ich brachte noch einiges Buschwerk hinter mich, und dann sah ich ihn plötzlich vor mir: meinen ersten echten Wasserfall in freier Natur. Das Wasser schoß über mehrere Felsvorsprünge aus ziemlicher Höhe herunter. Es war ein wunderbarer Anblick. Es kam angerauscht, es wurde immer mehr, endlose Wassermassen. Unten teilte es sich in drei oder vier Bäche, die wahrscheinlich alle in den See flossen.
    Nach einer Weile verlor das Schauspiel seinen Reiz, und ich beschloß, mich auf den Rückweg zu machen. Ich versuchte es mit einer Abkürzung, ging auf die andere Seite des Sees herum und schlug die Richtung zu unserem Camp ein. Ich wußte noch ungefähr, wo es lag. Irgendwann blieb ich kurz stehen, nahm mein Notizbuch heraus und kritzelte ein weiteres Gedicht hinein,

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