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Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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bestand, und jedes Teil hatte seinen eigenen Reißverschluß. Es sah sehr unpraktisch aus. Tammie kniete davor und zog diese Reißverschlüsse auf und zu.
    »Schau her«, sagte ich, »ich bring schon mal deinen anderen Kram runter zum Auto.«
    Sie hatte noch zwei große Plastiktaschen voll Zeug und drei lange Kleider an Kleiderbügeln. Ich brachte das nach unten und verstaute es im VW. Als ich zurückkam, lag Tammie immer noch auf den Knien und zerrte an den Reißverschlüssen herum.
    »Tammie, wir müssen gehn.«
    »Augenblick noch.«
    Sie zog die Reißverschlüsse zu, wieder auf, wieder zu …
    »Mammi«, sagte Dancy, »ich will ein Ding-Dong!«
    »Jetzt komm doch endlich, Tammie.«
    »Oh, äh, klar.«
    Ich nahm das Monstrum mit den Reißverschlüssen, und wir gingen nach unten.
    Wir fuhren zur Wohnung ihrer Mutter. Ich im VW, Tammie und Dancy im roten Camaro. Als wir hinkamen, war die Mutter nicht da. Tammie ging rein und fing an, Schubladen aufzuziehen und darin herumzuwühlen.
    »Tammie«, sagte ich. »Wir verpassen das Flugzeug.«
    »Ach was, wir haben noch jede Menge Zeit. Ich kann’s nicht leiden, wenn ich im Flughafen rumsitzen und warten muß.«
    »Was machst du jetzt mit Dancy?«
    »Ich laß sie da. Meine Mutter kommt ja bald von der Arbeit zurück.«
    Dancy fing an zu zetern, die Tränen flossen, dann ballte sie die Fäuste und schrie: »Ich will ein Ding-Dong!!«
    »Hör zu, Tammie, ich warte draußen im Auto.«
    Ich ging raus und setzte mich in den VW. Ich wartete fünf Minuten, dann ging ich wieder rein. Tammie wühlte immer noch in den Schubladen herum.
    »Tammie, ich bitte dich, laß uns endlich gehn!«
    »All right.«
    Sie drehte sich um und sagte zu Dancy: »Also du bleibst schön hier, bis Oma nach Hause kommt. Schließ die Tür ab und laß außer Oma niemand rein, ja?«
    Dancy legte wieder los. Sie zeterte und zeterte. Dann schrie sie: »ICH HASSE DICH!«
    Wir gingen raus und stiegen in den VW. Plötzlich riß Tammie die Tür auf und stieg wieder aus. »Ich muß noch was aus meinem Wagen holen!«
    Sie rannte nach hinten zu ihrem Camaro. »Ach Scheiße, ich hab die Tür verriegelt und die Schlüssel drin gelassen! Hast du ein Stück dicken Draht?«
    »Nein!« schrie ich. »Ich hab keinen Draht!«
    »Gleich wieder da.« Sie rannte zurück in das Apartment ihrer Mutter. Ich hörte Dancy schreien und heulen. Dann knallte die Tür zu, und Tammie kam an mir vorbei, einen Kleiderbügel aus Draht in der Hand. Sie bog sich den Draht zurecht und machte sich an der Fahrertür des Camaro zu schaffen. Sie kriegte die Tür auf.
    Ich stieg aus und ging hin. Tammie hing halb über der Rückenlehne des Fahrersitzes und wühlte das Gerümpel da hinten durch … Berge von Kleidern, Tüten, Schuhen, Pappbechern, Zeitungen, Pepsi-Cola-Flaschen. Endlich fand sie, was sie suchte: einen Fotoapparat. Die Polaroid, die ich ihr zum Geburtstag geschenkt hatte.
    Wir fuhren los. Ich drückte drauf, als wollte ich die 500 Meilen von Indianapolis gewinnen. Wir hatten eine Sechserpackung dabei. Wir tranken, und Tammie warf die leeren Dosen aus dem Fenster. Sie beugte sich zu mir herüber und schrie mir ins Ohr: »Wenn wir in New York sind, kriegst du von mir einen Fick, wie du noch nie einen erlebt hast!«
    »Ehrlich?«
    »Ja!«
    Sie kuschelte sich an mich und langte mir an den Schwanz. Meine erste Rothaarige. Ich war ein Glückspilz …

59
    Wir rannten die lange Rampe hinauf. Ich schleppte die drei Kleider und das Monstrum mit den Reißverschlüssen. Unten an der Rolltreppe blieb Tammie vor dem Automaten für Lebensversicherungen stehen.
    »Ich bitte dich«, sagte ich, »tu mir das nicht an. Wir haben nur noch fünf Minuten.«
    »Ich will eine Versicherung. Ich will, daß Dancy das Geld kriegt, wenn das Flugzeug abstürzt.«
    »Na meinetwegen.«
    »Hast du zwei Quarters?«
    Ich griff in die Tasche und gab ihr zwei. Sie warf die beiden Münzen ein, und der Automat spuckte eine Karte aus, gefolgt von einem Briefumschlag.
    »Hast du was zum Schreiben?«
    Ich gab ihr einen Kugelschreiber. Sie füllte die Karte aus und steckte sie in den Umschlag. Dann versuchte sie, den Umschlag in den Schlitz zu stecken.
    »Das Ding geht nicht rein!«
    Sie probierte es noch einmal. Es ging nicht. Sie versuchte es immer wieder, und bald war der Umschlag an allen vier Ecken stumpf und zerknittert und in der Mitte durchgeknickt.
    »Ich werd gleich wahnsinnig!« sagte ich. »Ich halt das nicht mehr aus!«
    Sie rammte den Umschlag noch ein paarmal

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