Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
Vom Netzwerk:
betrunken. Ich hatte ihn noch nie nüchtern erlebt. Ansonsten saßen nur Leute um den Tisch, die mir fremd waren.
    »Mr. Chinaski?«
    Es war ein süßes kleines Ding in einem kurzen grünen Kleid.
    »Ja?«
    »Würden Sie mir dieses Buch hier signieren?«
    Sie hatte einen frühen Gedichtband von mir: ›It Runs Around the Room and Me‹. Die Gedichte hatte ich geschrieben, als ich noch bei der Post arbeitete. Ich signierte, machte eine Zeichnung dazu und gab ihr den Band zurück.
    »Oh, vielen Dank!«
    Sie ging. Die Bastarde, die um den Tisch herumsaßen, hatten mir jede Chance verbaut.
    Bald standen vier oder fünf Humpen Bier auf dem Tisch. Ich bestellte mir einen Sandwich. Wir tranken zwei, drei Stunden, dann ging ich zurück in das Apartment. Ich trank die Dosen aus, die ich noch im Waschbecken hatte, und legte mich schlafen.
    An die Lesung kann ich mich kaum noch erinnern. Ich weiß nur, daß ich am nächsten Tag, als ich wieder zu mir kam, allein im Bett lag. Gegen elf Uhr klopfte Joe Washington an die Tür und kam herein.
    »Hey, Mann, das war eine deiner besten Lesungen!«
    »Ist das dein Ernst, oder willst du mich verscheißern?«
    »Nein, du warst voll drauf. Hier ist dein Geld.«
    »Danke, Joe.«
    »Bist du sicher, daß du Burroughs nicht kennenlernen willst?«
    »Ich bin mir sicher.«
    »Er liest heute abend. Bleibst du solange da?«
    »Ich muß zurück nach L. A., Joe.«
    »Hast du ihn schon mal lesen hören?«
    »Joe, ich will bloß noch duschen und dann von hier verschwinden. Fährst du mich an den Flughafen?«
    »Klar.«
    Als wir hinausgingen, saß Burroughs wieder auf seinem Stuhl am Fenster. Er verzog auch diesmal keine Miene. Ich sah kurz zu ihm hin und ging weiter. Ich hatte mein Geld. Jetzt hatte ich es eilig, auf die Pferderennbahn zu kommen …

84
    Ich korrespondierte seit einigen Monaten mit einer Lady in San Francisco. Sie hieß Liza Weston und gab Tanzstunden, einschließlich Ballett, in ihrem eigenen Studio. Sie war 32, geschieden, und schrieb mir lange Briefe, die sie fehlerlos auf rosarotes Papier tippte. Ihre Briefe lasen sich gut, sie waren intelligent und wirkten so gut wie nie übertrieben. Also schrieb ich zurück. Liza ließ Literatur und überhaupt die sogenannten höheren Dinge aus dem Spiel und schrieb statt dessen von kleinen alltäglichen Vorfällen, und zwar mit Einsicht und Humor. So kam es schließlich, daß sie mir eines Tages mitteilte, sie werde nach Los Angeles kommen, um einige Tanzkleider einzukaufen, und ob ich mich mit ihr treffen wolle? »Unbedingt«, schrieb ich zurück. Ich sagte ihr auch, sie könne bei mir wohnen, aber wegen des Altersunterschieds müsse ich im Bett schlafen und sie auf der Couch. »In Ordnung«, schrieb sie. »Ich melde mich, sobald ich ankomme.«
    Drei oder vier Tage danach kam der Anruf. »Ich bin in der Stadt«, sagte sie.
    »Bist du am Flughafen? Ich hole dich ab.«
    »Ich nehme mir ein Taxi.«
    »Das kostet einiges.«
    »Aber so ist es für mich am einfachsten.«
    »Was trinkst du denn gern?«
    »Ich trinke selten. Also, was du gerade hast …«
    Ich saß da und wartete auf sie. Wie immer in solchen Fällen wurde mir unbehaglich zumute. Wenn sie schließlich ankamen, wollte ich eigentlich kaum noch, daß es passierte. Liza hatte erwähnt, daß sie gut aussehe, aber Fotos hatte sie nicht geschickt. Die Frau, mit der ich einmal verheiratet war, hatte ich auch nur brieflich gekannt. Ich hatte ihr die Heirat versprochen, ohne sie vorher gesehen zu haben. Auch sie hatte mir intelligente Briefe geschrieben, doch die 2½ Jahre Ehe mit ihr erwiesen sich als Katastrophe. In ihren Briefen waren die Menschen meistens viel besser als in der Wirklichkeit. Genau wie die Dichter.
    Ich ging im Zimmer auf und ab. Dann hörte ich Schritte draußen auf dem Weg. Ich ging ans Fenster und linste durch die Jalousie. Nicht übel. Dunkles Haar. Ein knöchellanger Rock. Sehr schick. Sie hatte einen guten Gang und hielt den Kopf hoch. Hübsche Nase. Durchschnittlicher Mund. Ich mochte Frauen in langen Kleidern. Es erinnerte mich an früher.
    Sie hatte einen kleinen Koffer in der Hand. Sie klopfte an die Tür. Ich machte ihr auf. »Komm herein.«
    Sie stellte ihren Koffer ab.
    »Setz dich doch.«
    Sie war hübsch. Ihr Make-up war sehr sparsam. Ihr kurzes Haar hatte einen modischen Schnitt.
    Ich machte jedem von uns einen Wodka-Seven. Sie wirkte sehr gelassen. In ihrem Gesicht lag so eine Andeutung von einem leidenden Zug. Sie hatte ein- oder zweimal in ihrem Leben

Weitere Kostenlose Bücher