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Das Liebesspiel

Das Liebesspiel

Titel: Das Liebesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn C Tripp
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Marne. Hier rein, da raus.«
    »Du meinst echt, es ist so einfach?«
    »Was soll ich denn sonst tun? Ihre Meinung ändern?«
    »Kommst du denn nie in Versuchung?« Kaum habe ich das Wort ausgesprochen, bedaure ich es.
    Er lächelt. »Nicht dabei.«
    Ich mühe mich mit dem Verschluss meiner Kräuterlimonade ab, überrascht, dass die Bedienung ihn nicht entfernt hat. Normalerweise ist unsere Berufsgruppe angehalten, außer den offensichtlich notwendigen Utensilien wie Steakmesser und Ähnlichem keine überflüssigen scharfen Gegenstände auf dem Tisch liegen zu lassen.
    Ich muss an die große Schwertlilie denken, draußen vor Pard Islingtons Haus. Rays Hand darum gewölbt, die leuchtende, durchschimmernde Farbe.
    Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu, seine Augen verfolgen etwas, jemanden hinter mir. Er grüßt knapp und ich schaue gerade noch rechtzeitig über die Schulter, um Denny Morrison auf einen Eckhocker an der Theke rutschen zu sehen. Denny ist so alt wie Ray und fast überall Stammgast. Hat den Führerschein wegen Alkohol am Steuer verloren. Fährt trotzdem den Wagen seiner Schwester. Lässt sich mal hierhin, mal dorthin mitnehmen. Gegen zehn Uhr freitags abends taucht er oft bei mir im Restaurant auf, blau. Er hat ein Glasauge. Eins mit einer Palme drauf, das speziell für freitags abends reserviert ist. Vor ein paar Wochen konnte ich eher Schluss machen und trank noch ein Bier, bevor ich nach Hause fuhr, da saß ich mit Denny an der Theke. Er nahm das Palmenauge für mich raus, ließ es in einem Schnapsglas herumwirbeln.
    »Der Typ hat eine Wahnsinnsleber«, bemerke ich.
    »Allerdings«, sagt Ray. »Der Beweis, dass es Wunder gibt.«
    Dann höre ich sie – die ersten Noten, unverkennbar, aus der Anlage des Restaurants, nach einer Flut schlechter ABBA -Songs und Men at Work hat ein gelangweilter, vorausahnender Angestellter Don McLean eingeschoben, den man so gut wie nie in Restaurants hört, höchstwahrscheinlich weil es eins der Lieder ist, zu denen man nicht einfach stumpfsinnig vor sich hin kauen kann – die Gabel hält inne, schwebt in der Luft, Essen kurz vorm Schlucken –, auch Hunger ist relativ.
    Ich erzähle Ray meine Theorie zu American Pie . »Weißt du, wodurch dieses Lied …«, beginne ich, »was es so fesselnd und ewig gültig macht? Das liegt nicht nur an dem genialen Text, sondern auch an den kleinen vagen Einsprengseln, die er zwischen die Wörter setzt – diese ganzen kleinen Stammeleien und Silben, die kleinen Füllwörter, diese aahs und oohs und ands und buts und das Well I, Man I, so come on now … «
    Ray sieht mich skeptisch an. Verständlicherweise. Ein etwas anderes Lächeln, so als würde direkt neben mir etwas Lustiges passieren.
    »Glaub es mir«, sage ich, »versuch mal, das Lied ohne diese ganzen Bindeglieder zu singen, dann verpufft es regelrecht.«
    »Hast du das ausprobiert?«
    »Ja, sicher!«
    Er muss lachen. »Hör auf, Marne.«
    »Nein, nein. Ganz ehrlich, das stimmt.« Noch während ich mich hineinsteigere, beharrlich das verteidige, was ganz offensichtlich unwichtig und nichtig ist, merke ich, dass ich mich wie eine Verrückte anhöre, und kurz denke ich, ich sollte es mir verkneifen, mein Geschwafel sein lassen. Aber ist es nicht besser, wenn wir die heiklen Themen von Anfang an offenlegen?
    »Missy Pie«, sage ich, »wäre ein völlig anderes Lied geworden, wenn McLean im Text aufgeräumt hätte. Es wäre sicher noch monumental, klar, die Geschichte ist einfach unschlagbar, aber sie wäre wie geleckt, stromlinienförmig, langweilig. Nicht so ein unbändiger Katechismus, mit dem man sich gerne selbst durchbohren möchte. Das ist wirklich so«, wiederhole ich. »Hör zu, hör zu.« Und als die Musik schneller wird, von der Einleitung zum Hauptteil übergeht, lange ich über den Tisch und halte die Finger vor Rays Lippen, ohne sie allerdings zu berühren. Er beobachtet mich, an meiner Hand vorbei, lacht immer noch, nicht lauthals, aber ich sehe es seinen Augen an.
    and do you have faith in God above,
    if the Bible tells you so.
    Ooohhh –
    Er will meine Hand vor seinem Gesicht festhalten, ich ziehe sie zurück, aber lächle.
    »Es stimmt wirklich«, sage ich. »Das Lied ist gespickt mit diesen Verbindungselementen. In jeder Version, die es gibt. Ich habe drei verschiedene Fassungen auf meinem iPod, zwei davon live, und es läuft immer auf dasselbe raus. Du musst mir einfach glauben.«
    Da wird sein Gesicht ernst. »Okay«, sagt er. »Mach ich.«
    O-oh. O-oh.

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