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Das Liebesspiel

Das Liebesspiel

Titel: Das Liebesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn C Tripp
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den ich bei ihm nicht kenne. Ray erzählt selten von seiner Familie, höchstens von Huck. Redet nie von seinem Vater, schon gar nicht mit mir. Er wuchs nicht unter jenem Dach auf – seine Mutter verließ Silas in dem Jahr, als Ray geboren wurde –, doch soweit ich gehört habe, kam sein Vater trotzdem vorbei, machte Ärger, zog die Jungs mit rein – Rays Bruder Green war das augenfällige Opfer. Silas war gewalttätig, ein Säufer, höchstwahrscheinlich derjenige, der die Kugel in den Schädel meines Großvaters jagte. So jedenfalls das offene Geheimnis –das man jedoch nie offen ausspricht.
    Ich kannte Junie nicht gut. Er war deutlich älter, der älteste der Varick-Brüder. Pards Hof konnte Junies nicht das Wasser reichen: eine Wand aus Hummerfallen, so hoch gestapelt wie die Garage, Köderfässer über die gesamte Länge der Steinmauer, ein gischtgrüner Chevrolet und fünf oder sechs alte Boote, eins mit einem kaputten Rumpf, aus dem Goldrute spross. Hinten hielt er Schafe.
    Dennoch hatte man das Gefühl, wenn die Welt den Bach runterginge, wäre Junie einer, an den man sich halten könnte. Er gehörte zur alten Schule. Machte Köderfliegen aus zerlegten Rehschwänzen. Überlebenskünstler. Absolut männlich. Nahrung, Wasser, Schutz. Geschickt im Umgang mit Waffen.
    Das erwähne ich nun Ray gegenüber und er lacht. »Er konnte ganz schön sauer werden, wenn’s um Eigentumsgrenzen ging. Hat sich die letzten zwei Jahre, bevor er starb, mit einem Nachbarn gestritten, der wollte, dass er den ganzen Müll wegräumt und Hortensien pflanzt.«
    »Und dann dieser Brief …«, sage ich.
    »Was für ein Brief?«
    »Ah, den fand ich super.« Und ich erzähle Ray, dass Alex mir, als ich in Kalifornien war, eine Kopie des Leserbriefs von Junie schickte, nachdem die örtliche Umweltschutzorganisation eine Unterlassungserklärung gegen ihn erwirkte, weil er seinen Bach ohne Genehmigung gereinigt hatte.
    Ray verdreht die Augen. »Ah, ja. Dieser Brief.«
    »Ganz schön gebildet, würde ich sagen.«
    Er wirft mir einen Blick zu. »Sei vorsichtig, für was du dich hier begeisterst, Marne …«
    »Nein, echt, der Brief war perfekt. Dieser elegante, schelmische Stil – wie ging noch mal der letzte Teil? … warte, nein, sag’s nicht, ich weiß es noch … da redet er doch von gewissen Menschen, die sich angesichts des Schicksals und des schwindenden Lebensraums eines extrem seltenen vierfüßigen Salamanders offenbar in ihre schicken Hosen scheißen. Doch in Anbetracht der jüngsten Erhöhung der Grundsteuer könnten sie alle auf dem Holzweg sein im Hinblick darauf, welche lokale Spezies am stärksten gefährdet ist. Ha, das war brillant, Ray! Ich fand den Brief super, hab tagelang im sonnigen Kalifornien drüber gelacht.«
    Seine Hand ruht am Wasserglas, sein Daumen streicht geistesabwesend über den sich verjüngenden Teil unten. »Guter, altmodischer Verfechter der freien Meinungsäußerung.«
    »Könnte das ein Euphemismus sein?«, frage ich.
    Er sieht hoch. »Möglich.«
    Mir fällt natürlich auf, wie er das sagt. Wie er gelernt zu haben scheint, locker damit umzugehen. Das sage ich ihm.
    Er zuckt mit den Schultern. »Hier rein, da raus.«
    »Gehst du, sagen wir mal, nur so zum Beispiel, auch mit Huck auf diese Weise um, damit, wie er seine, nun ja, Sicht der Dinge darstellt?«, frage ich mit einer gewissen Vorsicht – es kostet mich eine gewisse Überwindung.
    »Huck ist so, wie er ist«, antwortet Ray vage.
    Da hast du recht, denke ich.
    Seine Augen, die mein Gesicht betrachten, sind von einem grünlichen Braun; graubraun könnte man es nennen, nur dunkler, und die blasse Narbe neben seinem Mund – die ich für neu gehalten habe, doch jetzt kommt mir der Gedanke, dass ich falschliegen könnte, dass sie vielleicht schon älter ist. Er sieht mich an, als würde er abwägen, was ich laut ausspreche und was nicht. Als würde er vielleicht etwas hinzufügen wollen. Er schüttelt den Kopf. »Huck hat damals diesen Brief geschrieben.«
    »Nein!«
    Jetzt lächelt Ray. »Doch. Junie war einfach nur stinksauer und meinte, wenn er wollte, wie er könnte, würde er die Hälfte von denen abmurksen. Huckie hat den Brief an einem Vormittag oben im Kozy Nook entworfen und ihn Junie gegeben, der ihn dann unterschrieb.«
    Eine Welle der Beklemmung rauscht über mich hinweg. »Nie im Leben hat Huck diesen Brief geschrieben.«
    »Wie hast du noch mal gesagt? Gebildet. Elegant …« Er lacht nun, neckt mich. »Wie gesagt,

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