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Das Liebesspiel

Das Liebesspiel

Titel: Das Liebesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn C Tripp
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musste sie zu fest zugedrückt haben, denn das Glas zerbrach in ihrer Hand, und sie spürte, wie es sie schnitt, spürte es und spürte es gleichzeitig auch nicht – und da kam ihr der Gedanke, erzählte sie mir, als sie dort auf dem Stuhl im Dunkel des Kleiderschranks stand, dass es vielleicht keinen Unterschied gab zwischen Fühlen und Nichtfühlen, es vielleicht sogar völlig unwichtig war, ob eine Birne kaputt oder ihre Hand verletzt war, und so drückte sie zu und konnte trotzdem nichts spüren, fühlte rein gar nichts, hörte nur ein weiches, feuchtes Mahlen in ihrer Handfläche und das Knistern von Glas. Es war Huck, der ins Zimmer kam und sie dort fand. »Oh, Ma«, sagte er, »ich hab doch gesagt, dass ich mich drum kümmere.« Und da ging sie auf ihn los. »Hast du aber nicht«, schrie sie beinahe, »ich hab dich immer wieder gefragt, immer wieder, aber du hast es nicht getan, Huck, es war das Einzige, um das ich dich gebeten habe, das Einzige, um das du dich kümmern wolltest, du hast es versprochen, ja?« Und Huck blickte sie an und sie sah die Worte, ihre Unbedingtheit, in sein Gesicht einschlagen, sie sah das Loch, das diese Worte dort hineinrissen, und beide wussten, dass sie nicht von der Glühbirne sprach, sondern von Green, weil Huck in der Nacht, als Green starb, mit ihm im Auto gewesen war, aber nicht versucht hatte, ihn aufzuhalten. Eine Weile sprach keiner von beiden, dann sagte Huck zu Ada, sie solle ins Badezimmer gehen und sich das Glas aus der Hand waschen, und sie gehorchte, und während sie die Schnittwunde im Waschbecken ausspülte, das Wasser laufen ließ, um sie zu reinigen, konnte sie ihn im Schrank rumoren hören, er fegte die Scherben zusammen, bewegte sich aber leise und vorsichtig, ganz anders als sonst, eher wie jemand, der sich Zeit ließ. Als Ada aus dem Badezimmer kam, war er fort und eine neue Birne war hineingedreht, so hell, dass es fast schon grell war, und Ada stand eine Weile vor der Schranktür, die Hand auf dem Schalter. Sie knipste das Licht aus, knipste es an, aus und an, und sie wusste, dass es den Bruchteil einer Sekunde gab, einen verlorenen Moment zwischen dem Augenblick, wenn das Licht umsprang, und dem Augenblick, den ihre Augen brauchten, um es wahrzunehmen.
    So minimal, dieser Zeitsprung, in sich selbst so unendlich klein, du, Ada, ich, wieder an, aus, an, und als du da im Wandschrank standest, war es nicht Junie, an den du dachtest, sondern Green, wie ein Verlust den nächsten nach sich zieht , nur schien es dir, erzähltest du mir, dass du nicht aufhören konntest, an Green zu denken, so als sei die Entfernung von zwanzig Jahren, seit du ihn verloren hast, in sich zusammengefallen und alles, was du hättest empfinden sollen, als es geschah, aber nicht empfandest – kenne ich das nicht? –, wallte aus der Tiefe empor, in die du es gestopft hattest, und du bliebst zurück und starrtest über die Schwelle, sahst, wie er etwa als Baby beim Zahnen immer an seinen Ärmelbündchen kaute, du legtest seine Kleidchen zusammen, die kleinen Babykleidchen, die Ärmel aufeinander, und sahst, dass die kleinen Aufschläge zerkaut waren.
    So wie du liebte Green die Nacht, liebte den Himmel. Der einzige deiner Söhne, der das tat, und als er älter wurde, ging er in klaren Nächten, wenn die Sicht gut war, nach draußen und fand dich in deinem Liegestuhl mit dem Teleskop. Ihr wechseltet euch am Okular ab. Du nanntest ihm die Namen der Sterne, lehrtest ihn ihre Größe, ihre Entfernung, zogst mit der Hand Sternbilder nach. Doch es war der Mond, der ihn am meisten fesselte. Dieser nahe, unscheinbare Satellit. Seine eindrucksvoll benannte Topografie: Bucht der Eintracht. Meer der Gefahren. See der Träume. Green war ein Kind des Mondzeitalters, der Apollo-Missionen, des Wettlaufs ins All, dieses Symbols des Kalten Krieges.
    Es gäbe noch andere Dinge, erzähltest du mir an dem Tag. Dinge, von denen du nicht wusstest, dass du sie vergessen hattest – so kann es einem gehen, nicht wahr?
    Ich erinnere mich an dein Gesicht. Darin ein ruheloser, gehetzter Ausdruck. Nicht du. Nicht dein Gesicht, wie ich es jetzt sehe. Ich weiß noch, dass ich immerzu nickte, weil du mir zuliebe weitersprechen solltest, die Geschichte fortführen, deine Geschichte, die meine hätte sein können, während wir uns einander annäherten, jedes Detail deiner Geschichte einen kleinen Teil von mir löste, ihn freisetzte, zum Schweben brachte. Während du sprachst, versuchte ich das, was du von Green

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