Das Liebesspiel
viel.
Ich setze noch mehr Fitzelchen über die anderen: C-A-B , T-A-L .
»Was ist das?«, fragt Ada. »Cab?«
»Macht zwölf Punkte.«
»Und was zum Kuckuck soll das heißen?«, fragt sie verärgert.
»Wusste ich mal«, sage ich und lächle.
Sie schnaubt verächtlich. »Du baust uns da an der Seite noch ganz zu«, sagt sie dann gelassen, doch hinter ihrer Fassade ist sie richtig sauer. »Janie, was findest du eigentlich an diesen Winkeln so toll?«
Ich ziehe ein S – ein begehrtes S . Und das Ö .
»Zwei Wände im Rücken«, erwidere ich. »Was soll man daran nicht mögen?«
Sie schüttelt den Kopf. »So kann man doch einfach nicht denken.«
Ich muss manchmal so denken, Ada.
Kleine Risse an der Oberfläche. Sie ist brüchig, diese Welt des Sichtbaren. Tröpfchenweise stiehlt sich die andere hindurch. Warum keinen Winkel?
Ich bin jedoch schlau genug, Ada diese Gedankengänge nicht laut mitzuteilen. Nicht die Art von Logik, die einer Frau wie ihr einleuchtet.
Ich rechne die Punkte zusammen – langsam hole ich auf –, noch fünfunddreißig Punkte zwischen uns.
Ada studiert das Brett, betrachtet stirnrunzelnd seine zunehmende Asymmetrie, die linke obere Ecke ist immer noch relativ offen, die anderen Ränder werden dichter, abgeriegelt. Mein Werk. Ich hole mein Käsebrot aus der Tüte, die im Schatten steht, und packe es aus; feuchte Flecke auf dem Papier, Tomatenkerne in ihrem eigenen Saft. Ich wische sie an der Serviette ab. Irgendwo in den Kiefern krächzt eine Krähe.
Adas Finger berühren das Wort auf der rechten Seite des Gitters, das wir gebaut haben. Das Wort, das sie zu Beginn ablegte: O-B-S-K-U-R . Ein hübsches Wort. So muss sie es auch empfinden. Außergewöhnlich. Sie richtet die Steine gerade aus.
Sie hat mir erst einmal von Green erzählt. Nennt ihn nur selten beim Namen. Tat es lediglich das eine Mal, ungefähr einen Monat nach Viviennes Tod. Als wir uns an jenem Tag hier zum Scrabble trafen, waren nur noch wir zwei da, Ada und ich. Irgendwann stöhnte Ada, wie langsam es vorwärtsgehe, nun, da die unverwüstliche Vivi das Spiel nicht mehr am Laufen halte, schleppe sich das Ganze unheimlich dahin, die Steine lägen ewig im Deckel.
Da fragte sie mich, ob mir schon mal aufgefallen sei, dass ein Verlust den nächsten nach sich zu ziehen scheint. Sie sah mich an, als sie das sagte, so wie sie es manchmal tut, denn sie wusste, dass dies etwas war, was ich verstand. Genau so verhält es sich mit dem Verlust, und ich nickte, weil ich es wusste, und ich nickte, weil sie für mich weitersprechen musste – ein jäher dicker Kloß in meinem Hals –, sie musste für mich diejenige sein, die die Geschichte erzählte, die sie immer weiter erzählte. Und dann schilderte sie mir, dass sie zehn Tage, bevor Junies Boot vor der Georges Bank unterging, im Kleiderschrank im Schlafzimmer wühlte, weil sie ein Oberteil suchte, eine braune Strickjacke mit handgeschnitzten Perlmuttknöpfen, von der sie wusste, dass sie da war, die sie jedoch irgendwie nicht finden konnte, und sie knipste den Lichtschalter an der Wand an, die Birne flackerte, dann brannte sie durch, und Ada wühlte noch etwas länger im Schrank herum, bis sie schließlich aufgab und etwas anderes zum Überziehen herausholte. Sie vergaß die durchgebrannte Birne völlig, bis sie zehn Tage später die Nachricht von Junies Boot bekam, dass er in einen Sturm geraten war, der ihn in die Tiefe gerissen hatte, und da war es auf einmal, als sei die durchgebrannte Lampe im Wandschrank das Einzige, an das sie noch denken konnte – ja, so ist das, oder? Die kleinste Kleinigkeit kann einen ablenken, eine durchgebrannte Birne, eine etwas schief im Rahmen hängende Fliegengittertür – irgendeine unwichtige Sache im Haushalt, natürlich reparabel –, man versteift sich in Gedanken darauf, sodass die Ränder dessen, was man weiß und nicht wissen will, stumpfer werden, damit man sich nicht verliert, wenn man in das gleißende Licht sieht, denn der tiefste Schmerz ist nicht dunkel – er ist hell, endlos, ein unentrinnbares Gleißen.
Die Kleinigkeit, an die Ada sich damals klammerte, war eine durchgebrannte Birne in ihrem Schrank, und sie fing an, Huck deswegen in den Ohren zu liegen, bat ihn, sie für sie auszutauschen, und da er Huck war, hörte er natürlich nicht hin, vertröstete sie immer wieder, bis sie schließlich einen Stuhl zum Schrank schleppte, daraufkletterte und die Lampe selbst reparierte, und als sie die neue Birne einschraubte,
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