Das Liebesspiel
laufen nicht gut«, hatte er ihr gesagt. »Verschwinden in ihren Höhlen.« Die ganze Woche über hatte er seine Leinen vom Knob in das kältere Wasser vor Cox’s Ledge verlegt. Jane hält Ausschau auf dem Deck seines Bootes, sucht den Kai ab. Keine Spur von ihm.
Ein Lkw gleitet vorbei, schwemmender Schatten, Qualm aus dem Auspuff, die alten Holzplanken rumpeln unter den Reifen. Jane umklammert das Buch in ihrer Hand, den harten Einband, plastikumwickelt, die vertrauten Formen:
Das Rad zum Beispiel ist ein Mechanismus aus Nabe, Speichen und Felge. Ein kleiner Teil des Rades berührt den Boden, fühlt ihn und verlässt ihn dann, um aus der Reichweite der Wahrnehmungen, die Felge, Speichen und Boden miteinander verbinden, zu verschwinden.
Doch dann kehrt dieser Teil zurück.
Wenn das dem Menschen geschieht, sagen wir: »Er wurde geboren, lebte und starb.«
Der größere Teil des Kreislaufs liegt jenseits unseres Wahrnehmungsausschnitts, so wie der größere Teil des Rades sich jenseits der gefühlten Wahrnehmung des Bodens befindet.
Sie hatte den Absatz am Morgen beim Frühstück am Küchentisch gelesen, bevor sie zur Arbeit aufbrach, ihr Gesicht brannte, nachdem sie es mit der Peelingcreme ihrer Mutter bearbeitet hatte. Sie hatte das Buch mit einem Stift gelesen, sich Notizen am Rand gemacht. Von allen Stellen war es diese, die sie an ihren Vater erinnerte, an jenen Tag im Spätherbst vor fünf Jahren, als sie das Buch im Fußraum seines Autos mit der Fußspitze umgedreht und den Titel zum ersten Mal gesehen hatte. Das letzte Mal. Diese Stelle mehr als alle anderen. Rückgabe nicht mehr möglich.
Ein Boot schwirrt unter die Brücke, seine fünf PS brummen; darin zwei Kinder, die anscheinend die Schule schwänzen. Sie surren hin und her, schneiden drei von vier Leinen durch, die eine Gruppe von Portugiesen im Wasser hat, und als die Männer merken, was die Jungs getan haben, und zwar mit Absicht, brüllen sie ihnen hinterher. Die Jungs rufen eine Beleidigung und schnurren lachend davon. »Hafenratten« nennt ihr Großvater Gid sie, einer von ihnen ist Pard Islington, der andere Huck Varick, beide vierzehn und schon Ärger am Hals. Nichts Gutes. Huck, der Sohn von Silas und dieser Frau, Ada.
Ein silbernes Schimmern zu Janes Füßen – ein Angelköder steckt zwischen zwei Holzbrettern, ein halb gegessener Apfel, die Haut abgezogen. Umschwärmt von Ameisen.
Auf der anderen Seite der Brücke beim Sandwichstand beenden einige Männer gerade ihr Frühstück – Männer, die keiner richtig kennt, Gewerkschafter, die aus der Stadt oder so gekommen sind, sie fahren Laster und Bulldozer hin und her, über die neue Straße, elf graue Meilen Highway, enteignete Höfe, freigelegte Hügel, weggerupft, eingeebnet, schneidet die Straße durch den Bauch des Ortes wie eine Klinge.
Sie fuhr sich sonderbar, die neue Straße, als Gid Jane zum ersten Mal mit über den Abschnitt nahm, der freigegeben worden war, so breit und schnell und endlos in ihrer sauber asphaltierten Neuheit, ohne Gesicht oder Körper, keine gelebte Geschichte, keine Häuser oder Wahrzeichen am Rand, die einem sagten, wo man war. Wenn man über diese Straße fuhr, konnte man überall sein.
Die Arbeiten waren so gut wie abgeschlossen. Es wurde erzählt, bis Ende Juli, Anfang August wäre das letzte Stück der neuen Brücke fertig.
Sie biegt von der Straße ab in den Wald und spürt ihn dort in sich erwachen, ihren Vater, sein Gesicht ein Bild im Wasser in ihr, als wäre er immer noch da, ginge vor ihr über den Pfad, und sie wäre wieder klein, folgte ihm in ihrem verhüllten Schweigen durch das neue Licht, das an dieser Seite der Brücke einfiel: salziger Wind, das Aroma von Pechkiefer, Stinkeiche, der strenge, dunklere Geruch vom Sumpf. Hierher nahm er sie mit, lief mit ihr, erzählte dabei manchmal Geschichten. Irgendwann fanden sie einen Pfad, der jäh auf eine Wiese führte, erfüllt von Sonnenlicht. Dann wies er auf die platten Stellen im Schlickgras, wo sich Rotwild niedergelegt hatte, die Halme noch in Form des Lagers geknickt. Daran denkt sie, die Decke über ihren Gedanken hebt sich, so als sei sie ein Schatten in jener Welt, beobachte einen Mann und sein Kind auf Wanderung im Wald, jahrein, jahraus, zu jeder Jahreszeit, bei Sonnenuntergang, bei Tage und bei Nacht.
Er kam ihr nah, als sie in das Buch schrieb. Sie spürte, wie er ihr über die Schulter sah, das Gekritzel des Stifts auf der Seite betrachtete – an jenem Tag im Wagen hatten
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