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Das Lied der alten Steine

Das Lied der alten Steine

Titel: Das Lied der alten Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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erschienen und schließlich gingen sie aus dem Speisesaal, ohne zu wissen, wer es war. Bereitwillig folgten sie Ibrahims Vorschlag, mit einer

    Feluke auf Kitchener’s Island zu fahren und ein Teepicknick zu veranstalten. Dort, umgeben von Hibiskus und Bougainvillea, setzten sie sich unter die Bäume, öffneten das Tagebuch und Anna begann laut vorzulesen.

    Am Nachmittag nahm Hassan selbst die Ruderpinne in die Hand und sie segelten in südlicher Richtung von der Ibis ab. Sie schoben das Boot an einer Stelle an Land, wo sie außer Sicht der schreienden, lachenden Dorfbewohner waren, weit genug weg von der Menge der Nubier, die ihnen zugewunken hatte, als sie vorübersegelten. Sie stolperten das Ufer hinauf zu den Dünen.
    Es war brennend heiß. Louisa hielt den Sonnenschirm über sich und schaute sich um. Auf der einen Seite sah sie einen ausgedörrten Bergrücken, auf der anderen am fernen Horizont einen riesigen magischen See, dessen flirrendes Wasser von Palmen gesäumt war. Sie blickte ihn verlangend an und schüttelte dann den Kopf. »Es ist zu heiß zum Malen. Die Farbe trocknet mir am Pinsel fest.«
    »Und ist es auch zu heiß für die Liebe?« Hassan lächelte.
    Sie berührte seine Hand. »Es ist zu heiß zum Atmen.«
    Sie rutschten den brennend heißen Sand hinunter und Louisa kletterte wieder in das Boot. Auf einer entfernten Sandbank sonnten sich zwei Krokodile mit aufgesperrten Mäulern. Ein Reiher stand ohne jede Furcht neben ihnen.
    »Wir könnten dort bei den Palmen aussteigen.« Louisa zeigte auf eine entfernte Palmengruppe. Hassan nickte, warf die Ruderpinne herum und lenkte das Boot in Richtung auf das gegenüberliegende Ufer. Dort gab es keine Krokodile und der Sand war unberührt. Hassan sprang ins seichte Wasser und zog das Boot an Land. Er half Louisa aus dem Boot, dann gingen sie hinüber zu den Palmen. Sie malte etwa eine Stunde, bevor die Hitze sie wieder auf das Wasser trieb und sie einen neuen Plan fassten. Jetzt wollten sie zur Ibis zurückkehren und erst am Abend, wenn es kühler wurde, an Land gehen und in die Wüste reiten, um unter dem weiten offenen Himmelszelt zu übernachten.
    Hassan hatte den Eseljungen weggeschickt. Er würde gleich nach Sonnenaufgang zurückkehren, sodass sie zur Ibis zurückreiten konnten, bevor die Sonne ihre ganze Kraft entfaltete. Jetzt, da die Sonne langsam unterging, spürten sie den ersten kalten Hauch des Wüstenwinds.
    »Bist du sicher, dass er uns wiederfindet?« Louisa blickte in die Runde. Der Horizont wirkte unendlich. Eine Linie goldener Berge, auf denen noch das Sonnenlicht ruhte, lag auf der einen Seite, ein sanfter schwarzer Schimmer, der die beginnende Nacht ankündigte, auf der anderen. Vor ihnen erhob sich ein Hügel mit Felsplateau, das von sanften sandgefüllten Mulden und Klüften durchzogen war.
    Hassan lächelte. »Er wird kommen. Kein Grund zur Furcht.
    Wir sind in Sichtweite des Flusses. Er wird immer hier sein. Wir sind nur ein paar Meilen stromaufwärts von dort, wo die Ibis ankert. Komm«, er reichte ihr seine Hand und zog sie einen schmalen Weg zwischen den Dünen hinauf. »Wir gehen durch dieses Wadi, dann zeige ich dir meine Überraschung.«
    Schließlich kletterten sie aufwärts. Ihre Füße versanken im Sand, der immerzu verrutschte und sich neu formierte, Wellen und Linien aus Licht und Schatten bildete. Endlich erreichten sie die felsige Höhe des kleinen Bergs.
    »Hier! Der Gipfel!« Mit einem Ausdruck des Triumphs zog er sie die letzten Meter hinauf und trat dann zurück, sodass sie das Ziel ihres Ausflugs sehen konnte.
    Auf der Spitze des Plateaus stand ein kleiner, schöner Tempel, ähnlich dem Kiosk, den sie in Philae gesehen hatte. Louisa betrachtete verzückt die Blattornamente an den Kapitellen und die Köpfe der Göttin. Zwar war der Tempel nur noch eine Ruine, aber die untergehende Sonne färbte ihn mit einem wunderschönen Rotgold, während der dunkle, fast schwarze Fluss dahinter bereits im Schatten der Nacht lag.
    Louisa starrte ihn an, sprachlos vor Freude. »Wo sind wir?«
    fragte sie endlich.
    »Es ist der Tempel von Kertassi.« Er machte eine ausholende Gebärde mit der Hand. »Dieser Tempel ist Isis geweiht. Er ist sehr schön, nicht wahr? Ich wusste, dass er dir gefällt.« Er lächelte.
    Louisa sah zu den Säulen hinauf, deren lange schwarze Schatten hinunter zum Wasser fielen, wo die glitzernden Spiegelungen schon tief im Dunkeln lagen, während der große schlafende Fluss sich in stetigen Windungen zu

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