Das Lied der alten Steine
habe.«
Augusta hob eine Augenbraue. »Lächerliches Mannsbild! Er glaubt wirklich an all diesen magischen Unsinn, nicht wahr!«
»O ja.« Louisa nickte traurig. »Er glaubt wirklich daran.« Sie wandte sich ab und ging langsamen Schrittes zurück zu ihrer Kabine. Dort nahm sie die Haarbürste und bürstete ihr langes Haar aus, als ihr Blick auf die Stofftasche unter dem Tisch fiel, wo Sir John sie abgestellt hatte. Sie hielt inne und legte stirnrunzelnd die Bürste ab. Sie bückte sich, nahm die Tasche und leerte sie über dem Bett aus. Sie fasste sie an den Enden und schüttelte sie, sodass eine Kaskade von Stiften und Malutensilien mitsamt Zeichenblock auf die Decke purzelte. Da
war ihr Farbkasten, das Wassertöpfchen und die Wasserflasche
– aber warum hatte sie sie an einen Ort mitgenommen, wo die Farbe an der Pinselspitze trocknete, bevor sie das Papier berührte? Da waren eine Schachtel mit Kohlestiften zum Skizzieren in einem Tuch, ein Radiergummi, ein kleines Messer zum Spitzen der Stifte und, unter all dem, das in Seide gehüllte, mit Band umwickelte kleine Päckchen, in dem sich das Parfümfläschchen der Priester befand. Sie hob es auf und hielt es eine Weile in den Händen. Dann weinte sie stumm.
»So ist es also wieder zurückgekommen.« Serena schüttelte den Kopf. »Und Carstairs war schon abgesegelt. Er wurde natürlich geächtet. Sein Name ist immer noch berüchtigt. Ich glaube nicht, dass er je nach England zurückgekehrt ist.«
»Und er hat das geweihte Fläschchen nie bekommen.« Anna sah es zweifelnd an. »Ich glaube, ich sollte es in den Nil werfen.«
Serena verzog das Gesicht. »Nein! Nein, tu’s nicht. Ich möchte noch ein anderes Ritual versuchen. Um mit den Priestern zu reden.« Sie stand auf, ging ans Fenster und sah hinaus auf den Fluss. »Das Fläschchen hat ihnen gehört, Anna. Oder zumindest einem von ihnen. Wenn das nicht geklärt wird, werden sie keine Ruhe finden. Wir müssen in Erfahrung bringen, was wir für sie tun sollen. Bitte, gib mir noch eine Chance.«
»Und die Schlange?«
»Die Schlange wird uns nichts tun.«
»Wie willst du das wissen? Wie wollen wir wissen, dass Carstairs nicht so außer sich war, dass er ihr befohlen hat, jeden zu töten, der sich dem Fläschchen nähert?«
»Gar nicht. Aber wie es aussieht, hat er das nicht getan.
Schließlich ist niemand sonst gestorben. Sollen wir es nicht versuchen, Anna? Nach dem Essen, während die Leute ihre Siesta halten. Lass uns die Priester noch einmal rufen! Ich will mit Anhotep reden.«
Annas Mund klappte auf. »Ich dachte, wir wollen bis heute Abend warten, bis wir in Philae sind.« Sie fröstelte.
Serena nickte. »Das hatte ich auch vor. Aber es gibt keinen Grund mehr zu warten. Bitte, Anna. Beim letzten Mal hat es beinahe geklappt. Und ich habe das Gefühl, dass es diesmal etwas wird.« Sie nickte erregt. »Aber wir müssen erst erfahren, was mit Charley ist. Können wir Omar bitten, nachzufragen, was aus ihr geworden ist?«
Omar rief auf seinem Handy im Hotel an. Er hörte und nickte, sprach schnell und beendete schließlich die Verbindung. »Sie kommt zurück aufs Schiff. Sie sagen, dass sie ausgeruht ist und es ihr gut geht. Sie setzen sie in ein Taxi.« Er warf ihnen einen raschen Blick zu. »Sie sagen, dass die Rechnung von Toby Hayward bezahlt wurde. Er war am Nachmittag da.«
»Er war dort?« Anna sah ihn verblüfft an. »Im Old Cataract Hotel? «
Omar nickte.
»Und er hat Charley gesehen?«
»Er hat mir ihr gesprochen und die Rechnung beglichen.«
»Und wo ist er dann jetzt?«
Omar zuckte mit den Schultern.
Zwei Minuten später waren Anna und Serena vor Tobys Kabine. Anna klopfte. Es kam keine Antwort, sodass sie den Türgriff drehte. Die Tür ging auf und sie spähten hinein. Die Kabine sah vollkommen normal aus, allerdings ordentlicher als beim letzten Mal, als Anna sie gesehen hatte. Die Bilder und Farben waren aufgeräumt, das Gepäck noch da.
Serena schritt hinter ihr hinein. »Er ist also noch nicht gegangen.«
»Warum sollte er? Wo hätte er hingehen sollen? Wir wollten zusammen zurückkommen.« Anna biss sich unglücklich auf die Lippe. »Wenn er im Hotel war, dann kann er nicht in Haft gewesen sein.« Sie sah sich im Zimmer um, betrachtete den Ankleidetisch, das säuberlich hergerichtete Bett, die Halter im Badezimmer mit den frischen weißen Handtüchern. »Omar hat gesagt, dass sein Pass noch hier ist«, sagte sie nachdenklich und ließ sich auf dem Bett
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