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Das Lied der alten Steine

Das Lied der alten Steine

Titel: Das Lied der alten Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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nieder.
    »Vielleicht weiß Charley, wo er ist«, schlug Serena vor.
    Draußen auf dem Gang war ein Geräusch zu hören und beide sahen auf, als Andy in der offenen Tür erschien. Er blickte sich um. »Zeit zum Essen, die Damen.«
    »Sie wissen wohl nicht zufällig, wo Toby ist, oder?« Anna versuchte die Feindseligkeit, die sie in sich aufkommen spürte, zu zügeln.
    Er schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich ist er noch bei der Polizei.«
    »Er ist nicht in Haft, Andy, er ist in Assuan. Zumindest war er da noch vor kurzem.«
    Andy sah einen Augenblick lang verwirrt aus, dann fing er sich wieder. Er trat vom einen auf den anderen Fuß. »Das ist mir zu hoch. Warum essen wir nicht zusammen und hören auf, uns über Toby Hayward zu sorgen?« Mit energischem Schritt ging er Richtung Speisesaal davon.
    Das Essen fand in gedämpfter Stimmung statt. Als ob sie die allgemeine Erschöpfung nach der langen Wüstenfahrt spürten, trugen Ibrahim und Ali es ohne die geringste Verzögerung auf.
    Nur vierzig Minuten später, nachdem sie sich heimlich versichert hatten, dass Andy nach vielem Gähnen in seiner Kabine zur Ruhe gegangen war, gingen die beiden Frauen ein Deck höher zu Annas Kabine.
    Die Vorbereitungen liefen diesmal sehr viel schneller. Anna hängte ihr Umhängetuch vor das Fenster, während Serena ihren Altar ausstattete. Kerzen, Weihrauch, die Statuette wurden jeweils an ihren Platz gelegt, dann nahm Anna das Parfüm-fläschchen, wickelte es aus und legte es ehrfürchtig neben Serenas Sistrum.
    »Bereit?«, flüsterte sie. Ihr zitterten die Hände.
    Serena nickte. Sie holte aus ihrer Tasche eine Schachtel Streichhölzer, zündete den kleinen Weihrauchkegel an und dann die Kerzen.
    Hinter ihr zog sich Anna wieder auf das Bett zurück und setzte sich mit angezogenen Beinen so weit weg von Serena, wie in der engen kleinen Kabine möglich war. Atemlos sah sie Serena zu, die ihr einen kurzen Blick zuwarf. »Was auch passiert, versuche nicht einzugreifen. Versuche nichts aufzuhalten und wecke mich nicht, wenn ich in Trance falle. Das könnte sonst gefährlich für mich werden. Bleib du einfach in Sicherheit und sieh zu.«
    Als das erste leise Singen den Raum erfüllte, auf-und absteigend zur Begleitung des rasselnden Sistrums, spürte Anna deutlich, wie sich die Atmosphäre verdichtete. Ihre Augen konzentrierten sich auf die Flasche.
    Bleiches, schwankendes Licht fiel von den flackernden Kerzen in verschlungenen glitzernden Bögen auf das kunstvoll gear-beitete Glas. Vom Weihrauch kräuselte müßig spiralförmiger Rauch zur Decke empor und verlor sich im Dunkeln. Die Flasche stand vor der Isis-Statuette, ihre kräftigen Farben im Kerzenlicht gedämpft und schillernd. In der Spiegelung der Flamme schien sich der Inhalt zu bewegen.
    Anna ballte die Hände zu Fäusten. Sie konnte fühlen, wie der Schweiß ihre Schläfen und Brüste hinabrann. Serenas Stimme wurde lauter, sei es, weil sie ihre Unsicherheit ablegte oder weil sie in den Phrasen ihres Psalmodierens Anna vollständig vergessen hatte. Als sie endete, schien die Kabine von der Energie der Worte widerzuhallen, dann begannen die Kerzenflammen sich wie in einem starken Luftzug zu neigen. Anna schluckte.
    Sie tastete nach dem Amulett an ihrer Brust und hielt es fest.
    Sie konnte ihn sehen – den großen Mann, so durchsichtig, dass er kaum mehr als ein Schimmer in der Luft vor dem Fenster war.
    Serena warf ihren Kopf zurück und rasselte mit dem Sistrum.
    »Komm! O Anhotep, Diener der Isis, komm! Zeige dich vor mir und vor diesem Gefäß geweihter Tränen!«
    Er war jetzt deutlicher zu sehen, seine Glieder wurden unterscheidbar, der Umriss seines Körpers stand klar in den Schatten des Kerzenlichts.
    Die Hände auf dem Altar, kniete Serena nieder. Ihren Kopf hatte sie immer noch in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen. Sie rasselte noch einmal mit dem Sistrum, dann legte sie es hin. Anhotep war ihr plötzlich nahe gekommen. Er überragte sie. Sein Körper, ein durchsichtiger Schatten, war so nah, dass er sie berührte, und langsam, als sie aufstand, schienen ihrer beider Umrisse zu verschmelzen und eins zu werden.
    Sie krampfte sich zitternd zusammen, dann richtete sie sich langsam wieder auf und öffnete die Augen. »Sei gegrüßt.« Ihre Stimme klang anders als alles, was Anna je zuvor gehört hatte.
    Tief und glockenähnlich erklang darin das Echo von dreitausend Wüstensonnen. »Ich bin Anhotep, Diener der Diener der Götter.
    Ich komme, um mir zu holen, was

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