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Das Lied der alten Steine

Das Lied der alten Steine

Titel: Das Lied der alten Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Monaten unbesehen, in der Kiste mit den Schreibsachen lag. Ein letzter Blick, ein letzter Gedanke an Hassan, dann schloss sie die geheime Schublade. Sie rastete ein.
    Schnell schloss sie den Schreibtischdeckel.
    Sie würde die Schublade und ihr Tagebuch nie wieder anrühren.

    »Wusstest du das alles, als du mir das Tagebuch gegeben hast?«
    Anna saß neben Toby in Phyllis’ sonnendurchflutetem Wohnzimmer.
    Phyllis schüttelte den Kopf. »Ich hatte immer vor es zu lesen, aber irgendwie habe ich es mit meinen schlechten Augen nie geschafft.«
    »Dann wusstest du also nichts über die Flasche, als du sie mir gegeben hast?«
    Phyllis schüttelte den Kopf. »Ich hätte sie dir wohl kaum gegeben, wenn ich ihre Geschichte gekannt hätte.« Sie war etwas beleidigt. »Du warst ein kleines Mädchen. Soweit ich wusste, lag die Flasche in der Schublade, seit Louisa sie dort versteckt hatte.
    Der Sekretär kam natürlich über meinen Vater in meinen Besitz, ich wusste nichts von dem Zettel im Tagebuch. Selbst wenn ich gewusst hätte, dass er dort steckt, hätte dies für mich keine Bedeutung gehabt. Keiner von uns kann Arabisch lesen.«
    Die drei saßen einige Minuten schweigend da. Im Kamin knisterte lustig das Feuer und füllte den Raum mit dem Duft von Apfelholz.
    »Weißt du, was am Ende mit Louisa geschah?«, fragte Anna endlich.
    Phyllis nickte langsam. »Ein wenig weiß ich. Mein Großvater war ja, wie du weißt, ihr ältester Sohn, David.« Nachdenklich hielt sie inne. »Sie hat nie wieder geheiratet. Soviel ich weiß, kehrte sie nie nach Ägypten zurück. Irgendwann in den Jahren nach 1880 zog sie aus London weg, da muss sie in den späten Fünfzigern oder frühen Sechzigern gewesen sein. Sie kaufte unten in Hampshire ein Haus, das sie David hinterließ, als sie starb. Ich weiß noch, wie ich dorthin ging, als ich sehr klein war, aber es muss vor dem letzten Krieg verkauft worden sein. Sie hat natürlich weiterhin gemalt und wurde noch zu ihren Lebzeiten eine recht bekannte Künstlerin.«
    »Hat sie jemals wieder Tagebuch geführt?«, fragte Toby plötzlich.
    Phyllis zuckte die Schultern. »Nicht, soweit ich weiß.«
    »Ich würde zu gerne wissen, ob sie jemals wieder an Ägypten gedacht hat«, sagte Anna wehmütig. »Was muss sie empfunden haben, als sie entdeckte, dass sie das Parfümfläschchen immer noch besaß, nach allem, was sie durchgemacht hatte, um es loszuwerden? Und warum hat sie es versteckt? Warum hat sie es nicht sofort zerstört, als sie es fand? Warum hat sie es nicht in die Themse geworfen? Ins Meer? Irgendwohin! Anstatt es so in ihrer Nähe aufzubewahren. Hatte sie keine Angst, dass die Priester zurückkommen könnten? Oder die Schlange?«
    Phyllis setzte sich in ihren Sessel zurück und schaute nachdenklich ins Feuer. Die Katze auf ihren Knien streckte sich genüsslich und tretelte dann einige Augenblicke auf dem dicken Tweedstoff ihres Rockes, bevor sie wieder einschlief. »Oben gibt es eine Kiste mit Großvaters alten Briefen, seinen Briefen an die Familie und dann vor allem denen von seinem Bruder John. Ich kann mich nicht erinnern, dass es da irgendetwas besonders Aufregendes gab, aber wenn du willst, kannst du sie haben. Toby, mein Lieber, könnten Sie hinaufgehen und sie für Anna herunterholen?« Sie sagte ihm, wo er sie finden konnte, und schaute ihm nach, als er das Zimmer verließ. Dann lächelte sie. »Halte dich nur an ihn, Schatz. Er ist ein sehr netter Mann.
    Liebst du ihn denn?«
    Anna errötete. »Ich habe ihn gern.«
    »Gern?« Phyllis schüttelte aufgeregt den Kopf. »Das reicht nicht. Ich möchte hören, dass du jemanden anbetest. Und dass jemand dich anbetet. Er tut das nämlich. Er kann ja kein Auge von dir wenden.« Plötzlich wurde sie wieder ruhig. »Was ist euch denn tatsächlich in Ägypten widerfahren? Ich glaube nicht, dass ihr mir alles erzählt habt. Es tut mir Leid, dass jener unglückliche Mann ertrunken ist. Aber da gibt es noch mehr, nicht wahr? Verstehe ich recht, dass du krank warst?«
    Anna nickte langsam. »Nicht eigentlich krank. Ich will dir sagen, was geschah. Wusstest du, dass das Parfümfläschchen von Geistern besessen war? Ich weiß, das klingt verrückt. Unmöglich.
    Aber es ist wahr. Es wurde von zwei alten ägyptischen Priestern bewacht, die um seinen Besitz stritten. Sie erschienen auf dem Boot und erschreckten mich so, dass ich den Verstand verlor und etwas sehr Dummes tat. Ich hatte mich mit einer Frau namens Serena Canfield angefreundet. Sie ist

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