Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
Magie einsetzen müssen. Etwas anderes ist gegen sie nicht wirksam.«
»Allerdings sollten wir uns immer vor Augen halten, dass die Gargoyles Kinder der Gaia sind und nicht der Nyx. Sie sind nicht unsere Feinde.« Bei diesen Worten blickte Aiko zu Galatea hinüber.
Klar, deren Feinde waren es schon, aber die Sache mit dem geklauten Kelch hätte man bestimmt irgendwie aus der Welt schaffen können. Nur vermochte ich mir nicht vorzustellen, dass die Nymphen große Diplomatinnen waren. Man sah es ja an der Sache mit dem Fluch. Das war Auge-um-Auge-Diplomatie.
Wir blieben am Waldrand und spähten zur etwa hundert Meter entfernten Burgmauer hinauf, die die Burg und den Turm umspannte. Der gesamte Komplex, an dem sich entlaubte Hecken und kahle Ranken hinaufschlängelten, sah ziemlich unbewohnt aus. Aus den Mauerfugen wuchs Gras, Geröllhaufen lagen am Boden herum. Kaum zu glauben, dass hier jemand hausen sollte. Die Gargoyles mochten es doch sicher auch kuschelig warm und trocken – oder etwa nicht?
»Hey!«, donnerte eine Stimme hinter uns, dann folgten Worte, die ich nicht verstehen konnte.
Gleichzeitig wirbelten wir herum. Zwischen den Bäumen standen mehrere blasse Gestalten, die allesamt schwarz angezogen waren. Sie wirkten, als seien sie aus dem Erdboden gewachsen.
Mein Herz stolperte vor Schreck. Lamien! Ich machte mich bereit zum Angriff, holte tief Luft und konzentrierte mich auf meine Echos.
»Nicht! Es sind Menschen!«, rief mir Pheme zu, als sie meine Absicht erkannte. »Denk daran, dass wir sie nicht verletzen dürfen.«
Gleichzeitig riss mich eine Hand an der Schulter zurück. Es war Aiko, wie ich sah, als ich mich umwandte.
Ich atmete aus und machte den Mund wieder zu. Das Echo pulsierte noch einen Moment in meiner Brust, doch es schien ebenfalls zu begreifen, dass ein Angriff nicht nötig war.
Als sie näher kamen, erkannte auch ich, dass es sich nicht um Lamien, sondern um Menschen handelte, genauer um Jugendliche in Gothic-Outfits. Wollten sie hier im Wald etwa ihren Lieblings-Vampirroman nachspielen? Hielten sie sich für das serbische »Team Edward«?
Der Anführer der Gruppe sagte etwas, das ich wieder nicht verstand. Da hob Galatea beschwichtigend die Hände und antwortete in einer Sprache, die ich für Russisch hielt.
Das schienen die Störenfriede zwar zu verstehen, doch freundlicher wurden ihre Mienen nicht. Schließlich deutete der Anführer auf uns und bellte seinen Begleitern etwas zu.
»Was hat er gesagt?«, fragte ich Galatea.
»Wir sollen mitkommen.«
»Wohin?«
»In die Burg natürlich.«
»Kennen die sich da aus?«
»Das ist anzunehmen. Es sind menschliche Gargoyle-Wächter.«
»Na, da haben wir aber mal Glück, dass wir sie getroffen haben«, warf Aiko ein.
»Das würde ich nicht so sehen.« Pheme ließ die Gothics keinen Augenblick aus den Augen.
»Das war auch ironisch gemeint«, entgegnete die Japanerin.
Plötzlich zogen die Schwarzgekleideten Waffen unter ihren Mänteln hervor. Ich erkannte zwei Pumpguns, Pistolen und ein Jagdgewehr.
»Was soll das?«, brummte Pheme. »Was hast du denen gesagt, Nymphe?«
»Dass wir zu Dragomir wollen, dem Anführer der Gargoyles«, antwortete Galatea, die allerdings ein wenig unwohl dreinblickte.
»Was meinen sie dazu?«
»Sie bringen uns hin, allerdings als Gefangene.« Die Nymphe zuckte mit den Schultern, als wollte sie sagen: »Wenigstens kommen wir so rein«.
»Was?« Wenn uns die Gargoyles bisher noch nicht bemerkt hatten, würde sie spätestens Phemes Geschrei alarmieren. »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
Die Gothics entsicherten ihre Waffen, und der Anführer bellte erneut etwas.
Na, das waren ja tolle Aussichten!
»Dann werden wir ihren Anweisungen wohl folgen müssen, oder?«
Ich spürte, dass Aiko sich kaum beherrschen konnte, nicht die Keule auszupacken, pardon, nicht zur Oni zu werden.
»Den Hintern müsste man diesen grünen Kindern versohlen«, schimpfte Pheme. »Wie kommen solche Milchbärte überhaupt an Waffen?«
»Überreste des Krieges, würde ich sagen«, lieferte Thomas spontan die Erklärung.
Das machte es auch nicht besser.
»Aiko hat recht, wir sollen ihnen gehorchen«, sagte die Nymphe sanft. »Zumindest kommen wir in die Burg und können uns auf die Suche nach der Feuerroten Blume machen.«
Plötzlich vernahm ich ein Flattern über uns und blickte alarmiert nach oben. Mehrere dunkle Schatten schwebten auf uns zu.
Harpyien! Ich holte tief Luft, rief mit meinem Verstand die Echos und
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