Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
behalten. Ich glaube dir, dass du wegen des Kelchs kommst, aber du wolltest uns angreifen.«
»Nein, das ist ein Missverständnis«, entgegnete Galatea.
»Ganz prima gemacht«, zischte Aiko mir zu. »Jetzt sind sie erst recht sauer.«
»Ich dachte, sie wären Harpyien.«
Aiko schüttelte den Kopf. »Wenn es welche gewesen wären, hätten Pheme und ich uns schon um sie gekümmert.«
Dann hättet ihr mich ja auch gleich abhalten können. Das wollte ich Aiko gerade sagen, da richtete sich der Blick der steinernen Riesenfledermaus auf mich.
»Wie ich sehe, hast du eine Banshee in deinem Gefolge. Warum hast du sie uns angreifen lassen? Ist eure Magie schon dermaßen zusammengeschrumpft, dass ihr euch der Hilfe anderer bedienen müsst?«
Noch immer schien er Galatea für die wahre Schuldige zu halten. Eigentlich war das ganz praktisch, aber ich war nicht der Typ, der andere für die eigenen Fehler den Kopf hinhalten ließ. »Ich habe euch angegriffen, weil ich euch für Harpyien gehalten habe. Es war ein Versehen, tut mir leid.« Ich versuchte, möglichst zerknirscht auszusehen, was mir bestimmt nicht schwerfiel. »Galatea hat nichts damit zu tun, und wir sind auch nicht ihr Gefolge.«
Bei den Flammen, die daraufhin aus Dragomirs Augen schossen, bereute ich beinahe, den Mund aufgemacht zu haben. »Du hast uns für Harpyien gehalten?«, grollte er.
Ich verzog das Gesicht. »Na ja, im Dunkeln und von weit weg seht ihr wirklich so aus. Ich habe in letzter Zeit ein paar ziemlich üble Erfahrungen mit Harpyien gemacht, also bin ich vielleicht ein klitzekleines bisschen überempfindlich, was geflügelte Gestalten betrifft.«
Dragomir lachte auf. »Das ist wohl die dümmste Ausrede, die ich je gehört habe.«
»Das ist keine Ausrede, ich habe wirklich …« Aiko stieß mich an, was wohl bedeuten sollte, dass es besser wäre, wenn ich den Mund hielt. Aber es war nun mal die Wahrheit.
»Nein, das ist keine Ausrede! Ich dachte wirklich, ihr seid Harpyien. Ihr müsst zugeben, dass eine gewisse Ähnlichkeit vorhanden ist, oder nicht?«
»Willst du uns etwa beleidigen, Banshee? Behaupte das noch mal und du bist deinen Kopf los!«
Sie wollten mich enthaupten? Wo lebten die denn, im finsteren Mittelalter, passend zu ihrer verfallenen Burg?
Gerade als ich zu einer Erwiderung ansetzen wollte, trat Pheme blitzschnell neben mich und hielt mir den Mund zu. »Sie wollte euch ganz gewiss nicht beleidigen. Sie ist noch nicht lange erweckt und sehr unwissend.«
Das schien Dragomir nun auch nicht mehr zu besänftigen. »Genug!«, donnerte seine Stimme über unsere Köpfe hinweg. »Ihr seid unsere Gefangenen, und zwar so lange, bis ich mir überlegt habe, was ich mit euch mache.« Damit gab er seinen menschlichen Helfern einen Wink.
Wir wurden umzingelt, und sämtliche Schwarzmäntel richteten ihre Knarren auf uns. Die beiden Gargoyles, die sich bislang im Hintergrund gehalten hatten, aber nicht weniger grimmig aussahen, traten vor. Als sie sich in Bewegung setzten, vibrierte der Boden unter unseren Füßen.
Es wäre ein Leichtes gewesen, sich gegen die Verhaftung zu wehren, doch Dragomir wusste, warum er die Gothics schickte. Menschen durften wir nichts antun – zumindest so lange nicht, bis sie uns angriffen. Ich fragte mich, ob die Regeln der Götterkinder genau definierten, was ein Angriff war. Die Gothics zielten mit Feuerwaffen auf uns, also fühlte ich mich ziemlich angegriffen.
Mir rutschte das Herz gewaltig in die Hose, meine Schläfen pochten, und meine Kehle schnürte sich zu. Sollte eine Banshee Angst haben? Ich hatte jedenfalls welche! Ich schielte zu Thomas, der eigentlich ganz gelassen wirkte. Verließ er sich auf den Kodex, oder war wirklich ein Held an ihm verlorengegangen?
»Vorwärts!«, befahl Dragomir, dann breitete er seine mächtigen Schwingen aus und stieg auf. Der Luftzug, der mir durchs Haar fuhr, fühlte sich an, als würde neben uns ein Hubschrauber starten.
Während ich dem Gargoyle-Anführer fasziniert und ängstlich zugleich nachsah, stieß mir etwas Hartes in den Rücken, und ich stolperte vorwärts. Der Lauf einer Knarre!
Der Kerl hinter mir brüllte etwas, das ich nicht verstand.
Waren wir hier im Wilden Westen?
»He, mal ganz ruhig, Mann«, mischte sich Thomas ein. Der Gothic richtete die Waffe auf ihn, worauf er beschwichtigend die Hände hochnahm.
»Ist ja schon gut. Aber so geht man nicht mit einer Frau um, klar?«
Der Gothic verstand nicht die Bohne, und ich wollte nicht, dass
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