Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
Einfach ein bisschen Zeit für mich allein. Und für Thomas.
Aber daraus wurde wohl nichts.
»Die Steinmänner fliegen nachts über die Wälder«, sagte Galatea. »Es ist die einzige Zeit, in der sie sich frei bewegen können. Glaubt ihr, das nutzen sie nicht? Wenn wir Glück haben, können wir uns ungestört in die Burg schleichen. Dort holen wir uns dann die Feuerrote Blume und verschwinden wieder.«
Und wenn wir Pech hatten?
»Irgendwie sagt mir mein Bauch gerade, dass es nicht so einfach sein wird«, wandte ich ein. Dass es darin rumorte, konnte natürlich auch daran liegen, dass das Sandwich von der Tankstelle von ziemlich zweifelhafter Qualität gewesen war.
Pheme seufzte. »Auf jeden Fall wird es nicht so einfach sein. Aber Galatea hat recht, wenn die Gargoyles unterwegs sind, kehren sie wahrscheinlich vor Sonnenaufgang nicht zurück. Andere Möglichkeiten, um rauszukommen, haben sie nicht, wenn sie in ihrer Steingestalt gefangen sind. Und wer weiß, ob sie uns nicht spüren, wenn sie heute Nacht bis in die Nähe der Stadt fliegen sollten.«
»Gut, dann fahren wir am besten gleich wieder in den Wald«, sagte Aiko seufzend und schloss die Beifahrertür, die sie zum Lüften aufgemacht hatte.
»Vielleicht wäre es klüger, wenn du deinen Wagen hier lässt und wir uns einen Jeep mieten.« Galatea kannte Pheme anscheinend ziemlich gut, denn sie brachte diesen Vorschlag nur zögerlich vor.
Um zu merken, dass der Sirene dieser Vorschlag überhaupt nicht gefiel, brauchte man kein Spezialist für Gesichtserkennung zu sein. Ihre Brauen zogen sich zusammen, ihre Lippen wurden schmal, und ihre Nasenlöcher zuckten. »Warum sollten wir das tun? Glaubst du, mein Wagen kommt die Waldwege nicht entlang?«
»Das habe ich nicht behauptet«, gab die Nymphe charmant lächelnd zurück. »Aber du musst zugeben, dass der Jeep praktischer ist. Zum Ersten willst du nicht deinen Lack ruinieren, und zweitens fallen Jeeps nicht so auf. Dein Fahrzeug hört man im stillen Wald auf mehrere Kilometer. Wenn die Gargoyles gerade über dem Waldgebiet kreisen, wird sie das neugierig machen.«
»Jeeps machen sie nicht neugierig?«, fragte Thomas.
»Das Geräusch der Jeeps sind sie gewohnt«, gab Galatea zurück, als würde sie sich hier in Serbien bestens auskennen. Vermutlich war das auch der Fall. »Militärangehörige benutzen sie, Forstarbeiter auch und hin und wieder irgendwelche Touristen, die meinen, draußen im Wald das große Abenteuer zu finden.«
»Wann warst du denn das letzte Mal hier?«, sprach Aiko meinen Gedanken laut aus.
Galatea blickte sie ein wenig erschrocken an.
»Ähm, nun ja, so lange ist es nicht her«, entgegnete sie und zupfte an ihrem waldgrünen Pullover, der ihrem blonden Haar einen leichten Grünstich verlieh. »Vielleicht zwei oder drei Monate.«
»Zwei oder drei Monate?« Pheme zog die Augenbrauen hoch. »Das heißt, du warst gerade erst hier?«
»Ich habe ein bisschen Vorarbeiten geleistet«, versuchte sie sich rauszureden, und ich spürte allerdings, dass es nur die halbe Wahrheit war.
»Du hast versucht, selbst an diesen Kelch zu kommen, stimmt’s?«, hakte ich nach. Es war vielleicht gemein, aber es bereitete mir diebische Freude, sie nach ihren selbstsicheren Flirtversuchen ein wenig unsicher zu erleben.
»Ja, das habe ich. Aber es ist mir nicht gelungen.«
»Haben dich die Gargoyles abgefangen?«, fragte Thomas.
»Ich bin erst gar nicht so weit gekommen.«
»Angst?«, fragte Pheme spöttisch.
»Nicht mehr als jeder andere, der versucht, sich im Alleingang seinen Erzfeinden zu nähern …« Die Nymphe presste die Lippen zusammen.
Auf einmal tat sie mir leid. Es war nicht fair, sie so in die Mangel zu nehmen. Wie würde es mir gehen, wenn ich Kinder hätte und für sie ein Medikament suchen müsste? Ich blickte unwillkürlich zu Thomas hinüber, dann fiel mir aber wieder ein, was Macius zu mir gesagt hatte. Wenn ich ein Mädchen auf die Welt bringe, sterbe ich. Besser ich dachte noch lange nicht an Familienplanung.
»Diesmal sind wir ja dabei«, sagte ich also versöhnlich. »Gemeinsam werden wir die Feuerrote Blume schon finden.«
Galatea lächelte mich an, doch das Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Was zum Teufel verheimlichte sie uns?
19. Kapitel
P heme grummelte leise vor sich hin, während sie den Jeep über das unwegige Gelände lenkte. Die Scheinwerfer, die die Dunkelheit teilten, hüpften auf und ab. »Ungelenke Kiste. Fährt sich wie ein Schulbus. Und das für den
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