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Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)

Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janika Nowak
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Schramme in die Haut.
    »Thomas!«, rief ich und wollte zu ihm stürzen, als Pheme mich ergriff.
    »Da hinten an die Wand. Du auch!« Damit war Thomas gemeint.
    Vor Schreck gehorchten wir und rannten zum gegenüberliegenden Gitter. Die Ranken wanden sich weiterhin hin und her und schlugen nach uns, das Gitter hoben sie jedoch nicht aus den Angeln.
    Pheme zerrte derweil Galatea aus der Schusslinie. »Offenbar hat ihre Magie sich bei der Ranke vertan. Das sind Kriechrosen. Solche wie die, die das Schloss von Dornröschen zugewuchert haben.«
    Was? Hatte Pheme den Verstand verloren? »Dornröschen hat es wirklich gegeben?«
    »Natürlich, sie war eine Nymphe. Leider war sie ein wenig mannstoll, deshalb hat ihre Mutter sie in einen Turm gesteckt und Kriechrosen darauf losgelassen, damit die Männer nicht hineinkamen. Einem ist es aber doch gelungen …«
    Ich glaubte es nicht! Welches Märchen war denn noch wahr? Rumpelstilzchen? Oder der Gestiefelte Kater?
    Bevor ich nachfragen konnte, holte eine Ranke aus und schlug nach Pheme, die den Angriff mit einem wütenden Fauchen quittierte. Für einen Moment bildeten sich Federn auf ihren Armen, doch die verschwanden sogleich wieder. »Aiko, könntest du bitte …«
    Die Japanerin nickte und legte die Hände zusammen. »Schließt die Augen«, riet sie uns mit ihrer merkwürdig blechernen Oni-Stimme, ohne jedoch die Gestalt zu wechseln.
    Ich kniff also die Augen zu und spürte im nächsten Moment Hitze auf meinem Gesicht. Es war, als würde ich einem Lagerfeuer immer näher kommen. Als ich überrascht blinzelte, konnte ich Aiko nur noch als vagen Umriss innerhalb einer Flammensäule ausmachen.

    Ich wollte schon panisch aufschreien, als mir gerade noch rechtzeitig einfiel, dass das Element der Onis ja das Feuer war. Sie konnte davon nicht vernichtet werden. Die Helligkeit zwang mich schließlich wieder dazu, die Augen zu schließen. Nach einer Weile zog sich das Hitzegefühl von meinem Gesicht zurück.
    »Ihr könnt die Augen wieder aufmachen!«, sagte Aiko, diesmal mit ihrer normalen Stimme.
    Wir kamen ihrer Anweisung nach und lösten uns nacheinander von der Wand. Erst jetzt merkte ich, dass ich mich die ganze Zeit über an Thomas geklammert hatte. Ich ließ ihn los und betrachtete wie alle anderen staunend, was Aiko angerichtet hatte.
    Die Pflanze war nur noch ein Haufen Asche, Gitterstäbe und Wand waren tiefschwarz verkohlt. Kein Wunder, so grell, wie das Feuer gewesen war. Allerdings hatte es nicht vermocht, den Stahl der Gitterstäbe zu schmelzen, und die Steine sahen ebenfalls unversehrt aus.
    »Schade, dass das Tor heil geblieben ist«, bemerkte Thomas.
    »Ich hätte es schmelzen können«, sagte Aiko, an der nicht der geringste Rußfleck zu sehen war. »Aber dazu hätte ich den gesamten Raum mit heißerem Feuer füllen müssen. Für die Pflanzen habe ich eines gewählt, das uns nicht gefährden kann.«
    Das hatte ich bereits bei den Harpyien in Warschau gemerkt, denn jenes Feuer war kalt gewesen. Aiko konnte also die Temperatur der Flammen regulieren. Cool!
    »Weitergekommen sind wir anscheinend nicht.« Galatea, die wieder auf den Beinen war, meldete sich zu Wort. Etwas blass wirkte sie zwar noch, aber sie schien nicht mehr so schwach. »Tut mir leid, dass ich euch so viel Ärger mache. Ich habe es wirklich versucht.« Verlegen blickte sie auf ihre Hände.
    Auf einmal tat sie mir leid. Wie musste es sein, wenn man so lange an seine Magie gewöhnt war und dann feststellen musste, dass man bald nichts anderes mehr war als ein gewöhnlicher Mensch? Ich mochte meine neuen Fähigkeiten, doch ich hätte auch nichts dagegen gehabt, wieder normal zu sein, in der Schreinerei zu arbeiten und ein bisschen mit Thomas zu schäkern. Bei Galatea, die die Verantwortung für ein ganzes Volk trug, war es dagegen etwas anderes.
    »Vielleicht brauchen wir gar keine Magie«, sagte Thomas plötzlich. Er trat an das Tor und besah es sich von oben bis unten. »Vielleicht können wir es aus den Angeln heben.«
    »Wie willst du das anstellen, Herkules?«, spottete Pheme.
    »Indem wir die Pritsche dort abschrauben und sie zusammen mit einem der herumliegenden Steine als Hebel verwenden. Vielleicht hat ja eine von euch genügend Kraft, mir dabei zu helfen.« Damit blickte er zu Pheme hinüber.
    Diesmal schaute sie weit weniger spöttisch drein. »Hast du denn etwas, womit du die Pritsche abschrauben kannst?«
    Thomas förderte lächelnd das Messer zutage, das Macius ihm gegeben hatte. Er

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