Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
ebenso wie ich an den Drachenschuppen fest. Hinter uns waren Pheme und Jean.
Schließlich tauchte die dunkle Silhouette des Festlands vor uns auf, und das Mondlicht beschien die großen Bäume und schroffen Felsen.
Wir flogen fast eine Stunde abseits der Dörfer und Städte über die Insel hinweg, bis wir eine alte Festung ausmachen konnten. Ein ganzes Stück entfernt, in einem Waldgebiet, ließ Aiko den Drachen landen, der sanft wie eine Feder auf dem Boden aufkam. Ein paar kleinere Bäume wurden umgeknickt, aber das würde nicht weiter auffallen.
Hoffentlich hatten wir Glück und erwischten auf Anhieb die richtige Burg, sonst musste Macius unseren Fehler mit dem Leben bezahlen.
R uhelos wandelte der Wächter durch seine Hallen. Immer wieder glitt sein mitleidloser Blick hinüber zu dem Gitter, hinter dem der Gefangene kauerte.
Stunden zuvor hatte er ihn nach den Schlupflöchern anderer Götterkinder befragt, doch er hatte nicht geredet. Sein Körper war nur noch schwach, der Lebensfunke klein. Aber seine magische Energie war immer noch groß.
Der Wächter wollte ihn zunächst verwandeln, dann hatte er jedoch eingesehen, dass es nichts genützt hätte, denn als Harpyie würde Macius seine Energie behalten. Nur seine Kameraden verraten konnte er dann nicht mehr.
Plötzlich ging eine Erschütterung durch den Körper des Wächters. Ein Erdbeben war es nicht, was er da gespürt hatte. Vielmehr handelte es sich um eine Erschütterung der Magie in seinem Inneren. Ein Gefühl, das er schon lange nicht mehr gehabt hatte.
Sie ist hier.
Der Wächter erhob sich und stürzte dann zu seinem Becken. Mit den Fingernägeln ritzte er sich in den Arm, und als sich die Blutstropfen in der wabernden Flüssigkeit verteilt hatten, sah er einen schlangengleichen glühenden Leib, der über das Meer hinwegflog.
Ein Drache!
Wenig später entdeckte er die Banshee. Als er sie zum ersten Mal erblickt hatte, war sie noch fast vollständig ein Mensch gewesen. Das hatte sich inzwischen geändert. Ihre Augen hatten sich verfärbt, und ihr Haar war noch heller geworden.
»Carmilla!«
Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch die Lamie erschien nur wenige Augenblicke später.
»Mein Gebieter.«
»Die Unreinen sind in mein Hoheitsgebiet eingedrungen. Geh mit deinen Brüdern und Schwestern und vernichte sie.«
»Ja, mein Gebieter.«
Die Lamie verneigte sich und verließ die Höhle.
Der Wächter stand immer noch über dem Becken, beobachtete die junge Frau.
Er würde sie töten. Er würde sie alle töten, zum Wohlgefallen der Göttin.
25. Kapitel
H ältst du es für eine gute Idee, den Drachen zurückzulassen?«, fragte ich Aiko, während wir uns durchs Gebüsch schlugen.
Der Untergrund war ziemlich uneben und felsig, nicht gerade das beste Gelände für einen Wandertrip. Polyphemos hatte sein Versteck gut gewählt – wenn es denn sein Versteck war …
»Er muss sich ausruhen«, antwortete sie. »Ich werde ihn noch brauchen, wenn wir auf Polyphemos treffen.«
»Was, wenn der Gute Lust auf einen kleinen Morgenspaziergang hat?«
»Wächter verlassen ihr Versteck eher selten«, meldete sich Jean zu Wort. »Sie kommen nur raus, um zu kämpfen oder Schaden anzurichten.«
»Und die restliche Zeit? Löst er da Kreuzworträtsel oder hält ein Nickerchen?«
Jean lachte auf. »Nickerchen bei jemandem, der elftausend Jahre lang geschlafen hat. Meinst du nicht, er hat genug Schönheitsschlaf beko …«
Ein Knacken unterbrach ihn. Alarmiert blieben wir stehen.
Gönnte sich der Wächter etwa doch einen kleinen Rundgang?
»Irgendwas ist hier faul«, brummte Jean, während er den Blick durch das Gebüsch schweifen ließ.
Pheme nickte. »Wir bekommen Besuch, andere Götterkinder.«
»Die Gargoyles?«
Hoffen durfte man, aber mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. War das eine Reaktion der Echos? Irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass da Unterstützung im Anmarsch war. Kurz darauf tauchten einige Gestalten aus der Dunkelheit auf. Eigentlich war es unmöglich, irgendwas in der Finsternis zu sehen, doch von den Körpern ging ein eigentümliches blasses Leuchten aus.
Lamien! Verdammt, meine ungeliebten Vampir-Cousins.
Es waren drei Männer und drei Frauen. Sie trugen gewöhnliche Menschenkleidung, doch wahrscheinlich hätte niemand, der auch nur halbwegs gut sehen konnte, sie für Menschen gehalten.
Ich wusste, dass Lamien sich schlecht tarnen konnten, weil sich, ebenso wie bei den Banshees, ihr Aussehen nach und
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