Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
raus und peile die Lage. Wenn keine Harpyien mehr da draußen rumschwirren, können wir gefahrlos aussteigen.«
Damit öffnete sie die vordere Luke »Vielleicht schwimmen ein paar tote Harpyien im Wasser, auf die ich treten kann«, scherzte sie, dann war sie auch schon draußen auf dem Flügel.
Aiko ging als Nächste. Nur beiläufig sah ich, dass sich die glühenden Muster auf ihrem Arm wieder zurückzogen. Wahrscheinlich hatte sie gerade mit ihrem Drachen kommuniziert. Just als ich fragen wollte, ob wir wirklich die ganze Strecke zum Festland schwimmen sollten, tauchte Aikos Drache neben uns auf.
Vor lauter Staunen über den Riesen klappte mir der Kiefer herunter. Der Drache war so breit wie ein ICE und mindestens zwei oder drei Waggons lang. Sein Kopf ähnelte dem eines Hundes, nur hatte er drei verschieden große Hörnerpaare auf der Stirn, seine Ohren waren dagegen verhältnismäßig klein. Sein breites Maul wirkte, als würde er lächeln, doch zwischen den Lefzen schimmerten scharfe Zähne. Die Haut des Drachen glühte noch immer, und ich fragte mich, ob ein gewöhnlicher Mensch auf ihm überhaupt stehen konnte oder sich verbrennen würde. Oder, wie in meinem Fall, ein Götterkind, dessen Element nicht das Feuer war.
Kaum war Aiko auf dem Rücken des Drachen, der ein Stück über der Wasseroberfläche schwebte, nahm sie ihre Oni-Gestalt an.
»Komm jetzt«, brummte Pheme und streckte mir die Hand entgegen, um mir auf den Drachen zu helfen. Wir standen inzwischen alle auf dem Flügel.
»Kann ich da einfach so rauf?«, fragte ich, worauf Aiko mit ihrer Oni-Stimme loslachte.
»Warum denn nicht? Akame wird dich schon nicht fressen.«
»Ich dachte eher an verbrennen.«
»Keine Sorge«, gab Aiko zurück, während sie den mächtigen Kopf des Tiers tätschelte. »Das Feuer brennt nur in seinem Innern. Das Leuchten, das du siehst, stammt daher. Aber seine Schuppen sind gerade mal so warm wie das Fell eines Pferdes.«
»Nimm meine Hand«, sagte Pheme.
Mit einem kräftigen Ruck schleuderte sie mich auf den Rücken des Drachen, und ich landete bäuchlings auf den Schuppen, die mir vorkamen, als wären es Felsen. Warme Felsen. Ich rappelte mich auf und lief nach vorn zu Aiko, die mich mit ihren glühenden Dämonenaugen musterte.
»Dein Drache hat ganz schön was drauf«, sagte ich.
»Ich weiß.«
»Warum hast du ihn nicht schon vorher aus dem Ärmel gezaubert?«
»Wir Onis dürfen unsere Drachen nicht allzu oft rufen, das würde sie überanstrengen.«
»Sind sie denn nicht unsterblich?«
»Weitestgehend schon. Nur wenn man sie zu sehr beansprucht, fallen sie in einen monatelangen Schlaf, und man hat im Ernstfall keine Hilfe. Dies hier war ein Notfall, also habe ich ihn gerufen.«
»Wie alt ist er? Ich habe von Drachen bisher nur in Märchen gelesen.«
»Kein Wunder, es gibt ja auch nicht besonders viele davon. Die Feuerdrachen sind sogar die seltensten überhaupt. Wasser- und Eisdrachen sind viel häufiger, aber auch wesentlich scheuer.« Aiko verstummte kurz und lächelte in sich hinein. »Wenn das hier alles vorbei ist, musst du unbedingt mal mit in meine Heimat kommen. Dann zeige ich dir ihre Verstecke.«
Das hörte sich doch nach einem guten Plan an.
Schließlich landeten auch Thomas, Pheme und zuletzt Jean auf dem Drachen. Das Flugzeug trieb auf den Wellen und machte noch immer keine Anstalten unterzugehen.
»Ich habe einen Notruf abgesetzt, damit jemand die Maschine bergen kann. Wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
»Keine Sorge, das werden wir.«
Aiko presste den Oberkörper an den Kopf des Drachen und legte die Arme auf seine Schuppen. Ihre Haut begann zu glühen.
Im nächsten Moment erhoben wir uns sanft in die Luft.
Ich blickte nach oben. Weder von den Gargoyles noch von den Harpyien war etwas zu sehen, und auch das Echo in meiner Brust hatte sich zurückgezogen. Wir hatten ein wenig Zeit gewonnen, dessen war ich mir sicher.
Der Drache trug uns hinüber zum Festland, gelenkt von Aiko, die es zu genießen schien, ihren alten Freund wiederzutreffen. Obwohl sich die beiden wahrscheinlich eher durch ihren Geist verständigten, redete Aiko mit ihrer dröhnenden Stimme auf Japanisch auf ihn ein. Ich hatte das Gefühl, wenn wir nicht dabei gewesen wären, wäre sie viel schneller geflogen, aber der Wind zerrte uns ohnehin schon heftig an den Kleidern. Schade, dass es keine Drachen mit eingebauten Sitzen, Griffen oder Gurten gab.
Thomas lag neben mir und krallte sich
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